Die Liebe zu Rosen mit Dornen
Naturwissenschaften. Sie unterrichten die Kinder, als würden Sie von ihnen schon ein gewisses Maà an Vorwissen erwarten, als könnten Sie nicht begreifen, wieso I hre Schüler es nicht begreifen. Für Sie ist es leicht. Für die Kinder nicht.«
Das lässt er einen Moment im Raum stehen.
Ich denke an meine Lehrmethoden. Daran, wie Dara und Dr. OâMalley im Flur über mich gesprochen haben. Sie haben sich gegen mich verschworen, und das ist jetzt das Ergebnis. »Dr. OâMalley, Sie haben gesehen, wie ich unterrichte. Warum haben Sie mich nicht früher darauf aufmerksam gemacht?«
Er lächelt. »Das habe ich getan, wenn auch eher indirekt. Sie sind nicht eben aufgeschlossen für Kritik von auÃen, Miss Garner.«
Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. »Gut. Wenn wir hier kein Blatt vor den Mund nehmen: Wieso jetzt? Ich unterrichte schon seit acht Jahren so. Wieso wollen Sie mich jetzt plötzlich rauswerfen?«
»Wir würden Sie gern auf Teilzeit setzen.« Seine Hände entspannen sich, und er legt sie wieder auf seinen SchoÃ. »Ich glaube, das wäre alles in allem das Beste für Sie.«
Er denkt an meine Niere. Er denkt an die Zeit, die ich gefehlt habe, weil der Shunt in meinem Bein verstopft war, weil ich den IVP -Test machen musste, weil ständig irgendwas ist.
Ich schäume. »Ich fühle mich diskriminiert. Ich bin meiner Aufgabe gewachsen. Das können Sie nicht machen. Ich werde mich wehren.«
»Dann gestalten Sie Ihre Tests wenigstens zugänglicher.«
Es ist also ein Ultimatum. »Zugänglicher? Diesen Schülern mangelt es nur am Wunsch und an der Bereitschaft zu lernen.« Ich trete an das Pult und nehme mein groÃes schwarzes Zensurenbuch. »Ich weià nur eins: Die Schüler, die am Förderkurs teilnehmen, haben allesamt gut bis sehr gut abgeschnitten. Was sagt Ihnen das? Wer um Hilfe bittet, soll sie kriegen.«
»Was ist mit Riley?«, fragt Dr. OâMalley nachsichtig. »Sie helfen ihr, und trotzdem bekommt sie keine gute Zensur.«
»Ich helfe ihr nur ein bisschen.« Riley war nicht zum Förderunterricht erschienen. Ich überlege einen Moment. Wer weiÃ, ob sie die Lernkarten eigentlich benutzt hat, die sie anlegen sollte? Ich war bei der Dialyse und habe nicht danebengesessen und aufgepasst, ob sie lernt. »Schüler sind auch selbst dafür verantwortlich, ob sie lernen oder nicht.«
Er nickt und steht auf. »Denken Sie mal über das Angebot einer Teilzeitstelle nach, Gal. Vielleicht wäre es das Beste.«
Er geht hinaus und schlieÃt die Tür hinter sich.
22
Ich sorge dafür, dass Riley an ihren Hausaufgaben sitzt, bevor ich zur Dialyse muss. »Ruf mich an, falls du in Bio irgendwelche Fragen hast«, erkläre ich ihr.
Sie nickt. Noch hat sie kein Wort zu ihrer Zensur gesagt, hat nur den ganzen Nachmittag dagesessen und hektisch in ihrem Biologiebuch herumgeblättert, als besäÃe sie ein fotografisches Gedächtnis.
»Oder in Mathe oder zum Leben allgemein«, fahre ich fort. »Zum Thema Jungs vielleicht eher nicht.«
Sie lächelt kein bisschen.
»Riley?«, sage ich. »Alles okay?«
»Klar. Was soll denn sein?« Sie klappt ihr Biologiebuch zu. »Alles gut.« Sie lächelt nur mit dem Mund.
Ich runzle die Stirn, versuche herauszufinden, weshalb sie so verstimmt ist. »Ist es wegen der Bioarbeit? Du kannst den Kurs immer noch bestehen.«
»Nein. Das ist es nicht, obwohl â stimmt schon â eigentlich hatte ich dafür gelernt.«
»Wirklich? Hast du gelernt, als ich bei der Dialyse war?«
Sie spielt an ihrer knallrosa Mappe mit den orangefarbenen Blumen herum. »Ich dachte, ich hätte genug gelernt.«
»Vielleicht ist das, was du denkst, und das, was tatsächlich genug ist, nicht dasselbe. Dafür muss man sich nicht schämen. WeiÃt du, wie schwer ich mich mit der Rechtschreibung getan habe? Ich beherrsche sie heute noch nicht richtig.«
Meine tröstenden Worte scheinen sie in keiner Weise aufzumuntern. Ich überlege, was sonst noch an ihr nagen könnte. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, sie schon wieder allein zu lassen.
Da geht mir ein Licht auf. Seit diesem Abend, an dem sie getrunken hat, war Riley nicht mehr mit Samantha zusammen â und auch mit sonst niemandem. Sie geht nur zur Schule, kommt nach Hause, lernt und sitzt dann bei mir. Ich
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