Die Liebe zu Rosen mit Dornen
persönlich habe kein Problem damit, wenn sich ein Highschool-Mädchen nicht herumtreibt. Aber ich muss zugeben, dass Riley ein wenig isoliert ist.
»Wenn du Sam besuchen möchtest, ist das okay. Solange ihr zu Hause bleibt.«
Sie streckt sich ausgiebig. »Zu müde. AuÃerdem darf sie sich nicht mit mir verabreden, und auch sonst mit niemandem.« Riley lässt die Schultern hängen. »Ich hab hier überhaupt keine Freunde.«
Es pocht in meinem Kopf, die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen. »Das stimmt doch gar nicht. Ich sehe oft, dass Kinder dir im Flur hallo sagen.«
»Ja, aber mit denen mache ich nichts.« Sie hält ein Sofakissen in den Händen, das meine Mutter bei einem ihrer langen Krankenbesuche mit Rosen bestickt hat.
»Du darfst dir ruhig Freunde einladen, wenn ihr was vorhabt.«
»Was denn? Hier rumhängen, in diesem engen Wohnzimmer, während ihre Lehrerin danebensteht und sagt, dass sie drinnen die Mützen abnehmen sollen und dass sie für Bio zu blöd sind?« Riley krallt sich ins Kissen. »Die Kids hier feiern und trinken gern. Möchtest du, dass ich da mitmache?«
»Die sind doch nicht alle so, oder?« Ich weiÃ, sie hat mir erzählt, die halbe Schule sei auf dieser Party gewesen, aber ich dachte, sie übertreibt. Ich versuche, meine Vorstellung dieser eifrigen Kinder, dieser meistens eifrigen Kinder oder zumindest artigen Kinder mit dem zusammenzubringen, was Riley mir erzählt.
»Alle, die ich kenne, tun es. Die anderen reden gar nicht mit mir.« Riley wischt sich Tränen von den Wangen. »Wahrscheinlich passe ich hier einfach nicht her. Ich kann nicht so tun, als wäre ich anders, als ich bin.«
Ich denke an Rileys wechselnden Look, der oft wie eine Verkleidung wirkt, an ihren schwarzen Eyeliner, ihre Markenklamotten. Ich lege ihr meine Hand auf die Schulter. »Das tut mir leid, Riley. Du solltest immer du selbst sein können.«
Sie schüttelt mich ab. »Meinst du, meine Mutter kommt diesen Sommer nach Hause?«
»Ich hoffe es.« Ich betrachte sie, denke an meine eigene Mutter. Riley wäre bei meinen Eltern besser dran, weil sie da nicht noch mehr Zeit allein verbringen müsste als bei Becky. Bei mir bleibt sie sich im Grunde selbst überlassen. Mein Herz krampft sich so abrupt zusammen, dass ich nach Luft schnappe. Das passiert alles nur in meinem Kopf.
»Ich sollte mich mal lieber auf den Weg zur Dialyse machen«, sage ich schlieÃlich. Von meinen physischen Qualen hat sie nichts mitbekommen. Ich kann mich gut verstellen.
Hinter dem Empfangstresen sitzt Trish, eine Schwester, die schon länger hier ist, als ich Patientin bin. Sie schiebt die gläserne Trennscheibe auf und schenkt mir ein Lächeln, das ihr freundliches Gesicht verknittert und ihre Augen zu fröhlichen Schlitzen werden lässt. »Ist es mal wieder so weit, Schätzchen?« Sie gehört zu den Menschen, die jeden »Schätzchen« nennen. Es ist leichter, als sich alle Namen zu merken. Sie ist hier meine liebste Krankenschwester, schnell und effizient. Die Fingernägel an ihren kräftigen Händen sind immer kurz geschnitten.
Ich nicke.
»Keine Sorge, eines Tages werden Sie meine Visage nicht mehr sehen müssen. Ich wette, Sie können es kaum erwarten.« Sie lacht laut und herzlich.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. Das sagt sie oft. Und es stimmt. Entweder bekommen die Leute eine neue Niere, oder sie sterben irgendwann. Sie bekommen einen Herzinfarkt, eine Infektion oder irgendwelche anderen Probleme. Keiner kommt ungeschoren davon.
Ich wende mich von der Scheibe ab, und mir wird ganz flau im Magen.
Mark Walters beobachtet mich. Sein Gesichtsausdruck erinnert mich an den Hund, den wir hatten, als ich klein war, einen schwarzen Labrador mit dem Namen Daisy und einem weiÃen Fleck auf der Brust. Daisy lag immer vor meiner Tür, wenn ich krank war, was oft vorkam, mit dem Kopf auf ihren Pfoten und die Augen kaum jemals von mir abgewandt. Sobald ich mich rührte, hob Daisy ihren Kopf, und ihre schwarzen Hundeaugenbrauen gingen rauf und runter, als versuchte sie auszumachen, was mir fehlte. Wenn Daisy fand, dass jemand zu laut war, lief sie in den Flur und bellte dreimal kurz. »Sie ist dein Wachhund«, sagte Dad. Daisy war sein Hund gewesen und stets an seiner Seite mit zu den Baustellen gefahren. Irgendwann hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, mein Hund zu
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