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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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es nicht wusste, hätte man es ohne weiteres für reine Einbildung halten können.
    Sie verließ ihre Wohnung und fuhr mit dem Lift in den Hauptturm. Das Café mit dem wenig fantasievollen Namen Wheel Bar war leer, trotz der Mittagszeit. Gott sei Dank, von Frau Schuster keine Spur. Monika setzte sich an einen Tisch nahe der Tür zur Küche. So würde die Kellnerin nicht so lange brauchen, wenn sie ihr die Bestellung brachte.
    – Hallo, Frau Stilling, sagte die Kellnerin. Schön, dass wir Sie hier öfter sehen.
    Monika wurde plötzlich heiß. Sie hatte vergessen, den Schal abzulegen.
    – Ach ja, sagte sie mit rotem Kopf. Der Kaffee bei Ihnen ist wirklich gut.
    – Darf ich Ihnen einen bringen?
    – Nein, ich würde gern was essen. Also nur ein kleines Bier und …
    Obwohl sie die Speisekarte längst auswendig konnte, faltete sie sie auf und studierte die Auswahl an Snacks. Für den schnellen Hunger , stand dort.
    – Einen Käse-Toast, entschied sie. Mit Ketchup.
    – Gern, sagte die Kellnerin mit einem wunderschönen Lächeln.
    Monika schaute ihr nach, als sie davonging. Ein wenig erinnerte das Outfit, das sie zur Arbeit tragen musste, an ein Tennisgewand. Über dem kleinen, kompakten Hintern der jungen Frau spannte der Stoff und erzeugte eine einzelne Falte. Monika schloss für einen Moment die Augen und dachte nach. Dann schüttelte sie den Kopf und öffnete sie wieder. Sie berührte die kühle Oberfläche des Tisches, spürte Brösel und fettige Stellen, die von früheren Kunden stammten. Vielleicht sogar von ihr selbst. Wenn sie in der Wheel Bar zu Mittag aß, saß sie fast immer hier. Es war ihr Stammtisch. Mein Stammtisch, dachte Monika und wiederholte es einige Male, bis das Wort eine eigenartig düstere Bedeutung anzunehmen begann. Nach fünf Minuten brachte die Kellnerin ihre Bestellung. Monika vermied direkten Augenkontakt, blickte ihr aber wieder nach. Die Falte war noch immer da und zwinkerte bei jedem Schritt.
    Sie aß langsam und bedächtig. Manchmal passierte es ihr, dass sie das Essen viel zu schnell hinunterschlang, und dann wurde ihr schlecht. Der Käse-Toast war perfekt. Knusprig und zugleich saftig. Der Käse war gerade erst dabei zu schmelzen.
    Nach dem Essen blieb sie noch eine Stunde sitzen und schaute aus dem Fenster. Von hier aus sah der Nebel weniger dicht aus. Vielleicht lag das daran, dass sie in ihrer Wohnung die Fenster schon lange nicht mehr geputzt hatte. Oder das Wetter hatte sich einfach geändert. Eines von beiden. Immer wieder kam die junge Kellnerin und fragte, ob sie ihr noch etwas bringen könne, und jedes Mal überlegte Monika und blätterte brav in der Speisekarte, nur um dann den Kopf zu schütteln und zu murmeln:
    – Danke.
    Nie legte die Kellnerin ihr freundliches Lächeln ab. Monika saß da und beobachtete sie. Der Nachmittag begann. Irgendwann entschied sie, dass sie nun lange genug hier gesessen hatte, und bezahlte. Sie vergaß nicht, der Kellnerin ein ordentliches Trinkgeld zu geben. Danach kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Als sie den Schal ablegte – warum hatte sie überhaupt einen Schal angezogen, wenn sie doch gar nicht ins Freie gegangen war? –, kamen ihr plötzlich die Tränen. Sie musste an die junge Kellnerin denken. Wie alt konnte sie sein? Sechzehn, siebzehn.
    Sie hatte Lust, ein Bad zu nehmen, zum zweiten Mal an diesem Tag, aber diesmal ließ sie die Wanne nicht volllaufen. Aus ihrer Wäschekommode holte sie ihren – aber der Name dieses Geräts klang so albern, wie ein Held in einem dummen Comic für Kinder. Sie genierte sich jedes Mal, wenn sie ihn irgendwo las oder hörte. Aber es musste sein. Sonst würde sie platzen. Vor Verlangen, vor – Nur eine kurze Sitzung in der Badewanne, sagte sie sich, dann würde es ihr bessergehen. Immer noch brauchte sie Gleitcreme, um das schwarze Ding in sich einzuführen. Wie ein Teenager, dachte sie. Überhaupt war es sehr schwer für sie, zum Orgasmus zu kommen, wenn etwas in ihr war. Von außen ging es leichter und schneller, aber das Ergebnis war niemals so intensiv. Sie saß in dem warmen Wasser, das ihr nur bis zum Bauchnabel reichte und schob sich ein zusammengerolltes Handtuch unter den Nacken. Da das Wasser einen Teil der Wanne nicht erreichen konnte, zuckte sie vor der kalten Oberfläche zurück, als sie sich nach hinten fallen ließ, aber nach ein paar Minuten hatte sie sichdaran gewöhnt, und alles ging ganz leicht. Sie dachte an die junge Kellnerin. Sie stellte sie sich nass vor, als wäre sie durch

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