Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
Vom Netzwerk:
ging zur Gegensprechanlage. Auf dem kleinen Bildschirm sah sie einen Mann in einem Overall. Das musste der Techniker sein. Er kam viel zu früh, es war gerade zehn nach neun. Einen Augenblick zögerte sie, dann drückte sie auf den blauen stilisierten Daumen unterhalb des Bildschirms, und die Tür öffnete sich.
    – Guten Morgen, sagte der Techniker. Von der Firma Treadmill , ich bin hier wegen dem Steuerungskasten …?
    – Ja, bitte, sagte Monika und trat beiseite.
    Sie wollte dem Techniker den Weg zeigen, aber er fand ihn alleine. Alle Wohnungen im Riesenrad hatten denselben Grundriss, nur waren manche spiegelverkehrt zu ihrer. Der Mann war schon in vielen Wohnungen gewesen und wusste sofort, wohin er gehen musste. Monika folgte ihm stumm. Als sie an einem Spiegel vorbeikam, kontrollierte sie kurz, ob ihre Frisur bei der Selbstmassage durcheinandergeraten war. Nein, alles war in Ordnung. Sie sah aus wie immer.
    Der Techniker hatte den Steuerungskasten entdeckt und begann wortlos mit der Inspektion.
    – Ja, sagte Monika. Da dürfte irgendein Fehler in der Zeitsteuerung …
    – Mhm.
    Er entfernte die obere Abdeckung. Als das erledigtwar, sah er sich blitzschnell um, lächelte mechanisch und sagte:
    – Eine schöne Wohnung haben Sie da.
    – Danke schön, sagte Monika mit einem Achselzucken.
    Der Techniker nickte eifrig, als hätte sie ihm widersprochen. Dann wandte er sich wieder dem Steuerungskasten zu und murmelte:
    – Blöde Sache das mit dem Halteknopf. Ungünstig programmiert, wenn Sie mich fragen. Aber trotzdem. Sie haben ziemliches Glück.
    Was genau er damit meinte, war Monika nicht klar. Sie fragte auch nicht nach. Stattdessen sagte sie:
    – Ich mag gar nicht dran denken was passiert wäre, wenn ich wirklich schnell aus meiner Wohnung hätte fliehen müssen. Ich meine, wirklich schnell.
    Der Techniker hatte jetzt die letzte Schraube entfernt und hob den hauchdünnen, fleischfarbenen Metallschutz vom Steuerungsmodul.
    – Haben Sie versucht, noch einmal zu drücken?
    – Was, auf den Knopf?
    – Ja.
    – Aber das hätte doch nichts gebracht. Das geht ja gar nicht. Ich meine, wenn sich das Rad plötzlich weiterdreht, während ich im Lift bin, falle ich um, egal was ich tue, oder? Außerdem befindet sich im Lift gar kein Knopf, was soll also diese Frage, ob ich noch einmal gedrückt habe?
    – Okay, okay, sagte der Techniker. Ich wollte nur sichergehen.
    Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht, dann tastete er seinen Gürtel nach einem bestimmten Werkzeugab. Da er es nicht fand, bückte er sich und sah in seiner Ledertasche nach. Er kramte und kramte, und schließlich fand er es: ein langes, silbernes Ding, das Monika beim besten Willen nicht einordnen konnte. So etwas mochte vielleicht in Operationssälen oder Folterkammern zur Anwendung kommen, aber hier –
    Sie räusperte sich und schaute woandershin. Es war so lästig, fremde Leute in der Wohnung zu haben.
    Über eine Stunde hatte der Techniker gebraucht, um den Fehler in der Zeitsteuerung des Moduls zu beheben. Und trotzdem konnte er nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Problem irgendwann wieder auftrat.
    – Okay, sagte Monika.
    – Ich kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Problem irgendwann wieder auftritt, wiederholte der Techniker.
    Sein Gesichtsausdruck war grimmig. Er schien wütend auf sich selbst zu sein. Wahrscheinlich kam es nicht oft vor, dass er einen Auftrag nur zur Hälfte ausführen konnte. Monika wollte nur mehr, dass er ging. Sie begleitete ihn zur Wohnungstür und ließ ihn hinaus.
    Sie schaute auf die Uhr und entschied, dass es nicht zu früh für ein ordentliches Mittagessen war. Aus einem ihrer vier nur dem Thema Essen gewidmeten Regale holte sie ein Kochbuch, das auf asiatische Gerichte spezialisiert war. Sie fand etwas, das ziemlich gut aussah, und begann, das Rezept durchzulesen. Die Hälfte der Zutaten, von denen die Rede war, sagte ihr nichts, oder sie hatte sie nicht zuhause. Enttäuscht klappte sie das Buch zu und stellte es zurück ins Regal.
    In der Küche war es ganz still.
    Monika klatschte ein paar Mal in die Hände. Da das keine nennenswerte Veränderung brachte, begann sie zu singen. Ihre Stimme war der von Suzanne Vega durchaus ähnlich, nicht sehr, aber doch ein wenig. Leise singend zog sie sich an, wählte den leichtesten ihrer drei Herbstmäntel, legte sich ihren Lieblingsschal um und drückte den Halteknopf. Ordnungsgemäß ging ein äußerst sanfter Ruck durch die Wohnung. Wenn man

Weitere Kostenlose Bücher