Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
Vom Netzwerk:
fahren, im Hauptturm durch das Treppenhaus geistern, im Café etwas essen. Bei der Kellnerin etwas bestellen. Sich aufführen wie junge Affen, alles beschmieren und das Essen am Boden verstreuen. Und ich, ich muss die ganze Zeit über die freundliche Tante spielen, muss ihnen meine Wohnung zeigen, mit ihnen auf den Balkon gehen und ihnen erklären, wie oft ich unten im Café sitze und dass das eine der wenigen Konstanten in meinem Leben ist.
    Und dann sah sie die ganze Sache plötzlich klar und deutlich vor sich: Der Besuch ihrer jüngeren Schwester und ihrer Kinder würde das Highlight des morgigen Tages sein. So wie der Besuch des Technikers das Highlight des heutigen Tages gewesen war. Highlight, das Wort blies sich auf, wurde klebrig und klemmte ihr die Luft zum Atmen ab. Monika bekam Angst. Sie knipste die Stehlampe neben ihrem Bett an und blickte auf die Uhr. Halb zwei. Es war eigentlich schon zu spät, aber sie musste es trotzdem versuchen: Mit eiskalten Fingern wählte sie die Nummer ihrer Schwester, ließ es einmal klingeln und legte dann mit klopfendem Herzen wieder auf. Wie ein kleines Kind, schalt sie sich. Natürlich läutete kurz darauf das Telefon. Sie hob ab:
    – Ich hab mich verwählt, Elke. Entschuldige.
    – Schon okay, sagte die verschlafene Stimme ihrer Schwester.
    – Hab ich dich geweckt?
    – Was?
    – Ob ich dich aufgeweckt habe.
    – Ja. Ich schätze ja. Du hast mich aufgeweckt.
    – Tut mir leid.
    – Du hast mich aufgeweckt. Dabei hab ich gerade geträumt …
    Die Stimme brach ab. Etwas knisterte. Vielleicht hatte sich Elke im Bett aufgerichtet. Wie mochte wohl ihr Schlafzimmer aussehen? Monika war noch nie dort gewesen.
    – Entschuldige, sagte sie, das war wirklich dumm von mir.
    – Ich hab … ah, warte einen Moment … So, jetzt geht’s besser. Ich habe geträumt, weißt du, was ich geträumt habe? Was ganz Witziges. Ich habe geträumt, es regnet Ventilatoren. Rotorblätter und so. Kleine Sägeblätter …
    – Ich bin so ein Dummkopf, sagte Monika, ich hätte dich nicht aufwecken sollen. Aber weißt du, wenn du schon mal wach bist, kann ich … kannst du mir vielleicht … eventuell zwei Gefallen tun?
    – Hm?
    Das gedämpfte Knistern von Bettwäsche. Langsames Atmen, viel zu nahe am Telefonhörer.
    – Erstens: Könntest du vielleicht an einem anderen Tag mit den Kindern zu mir kommen?
    Stille. Das Atmen wurde etwas leiser.
    – Du hast dich gar nicht verwählt, Moni, stellte ihre Schwester ganz nüchtern fest. Sag’s ruhig. Ich kenne dich doch.
    Monika biss sich auf die Lippe und dachte: Ich beiße mir auf die Lippe. Die Geste war dumm und wenig originell. Ich sehe eindeutig zu viel fern.
    – Und zweitens, fuhr sie zögerlich fort, bitte nicht sauer sein wegen … du weißt schon.
    – Warum hast du’s denn vorhin nicht gesagt? Was ist jetzt anders um … mein Gott, halb zwei?
    Jetzt ist es Nacht, fiel Monika ein. Sonst gab es eigentlich keinen Unterschied. Sie hatte ein wenig darüber nachgedacht, das war alles. Sie wollte lieber allein sein. Zumindest morgen. Zumindest für die nächsten paar Tage oder Wochen.
    – Moni, was ist los?, fragte Elke nach einer Weile. Sprich mit mir. Du hast mich aufgeweckt, also sprich mit mir.
    – Ich weiß nicht, was ich sagen soll, gestand Monika. Ich kann nur sagen, dass es mir leidtut. Es ist nur wegen … Heute war ein Techniker bei mir in der Wohnung.
    – Bei dir im Riesenrad, sagte Elke mit etwas schläfriger Stimme.
    – Ja, und er … er musste kommen, weißt du, weil es da ein Problem mit der Steuerungsmechanik gegeben hat oder so. Es war ziemlich gefährlich. Was wäre gewesen, wenn ich ganz schnell aus der Wohnung hätte flüchten müssen. Verstehst du?
    – Nein, ich habe keine Ahnung, wovon zu redest, Moni. Aber wenn es dir hilft: Ja, ich verstehe.
    – Danke.
    – Schon in Ordnung. Aber ich bin wirklich müde, können wir vielleicht morgen …?
    – Ich wollte dich ja nicht aufwecken. Es ist nur … vielleicht ein andermal. Bitte.
    – Du meinst es wirklich ernst, oder?, sagte Elke. Du willst nicht, dass ich mit den Jungs zu dir komme.
    – Nein, das ist es nicht. Es geht nur um morgen. Und um die nächste Zeit, die nächsten paar Tage. Ich will lieber allein sein.
    – Warum denn? Du bist doch ohnehin immer allein.
    – Bin ich nicht.
    – Ja, ich weiß, der Techniker, der heute da war.
    – Das meine ich nicht.
    – Hast du den etwa erfunden?
    – Nein. Da war wirklich was kaputt.
    – Die Steuerungsmechanik, ja, hast du

Weitere Kostenlose Bücher