Die lieben Patienten!
Hand. »Ich habe ausgezeichnete Diplome«, sagte er, »das heißt, falls du noch keinen gefunden hast.«
»Woher weißt du überhaupt, daß ich jemanden suche?«
»Ich habe die Anzeige gelesen«, erklärte er auf das Journal zeigend. »Komme gerade aus der Schweiz zurück.« Er blickte auf Caroline und zog eine Augenbraue hoch. »Wo ist Sylvia?«
»Im Eßzimmer. Dies ist meine Kusine aus den Staaten. Sie wohnt bei uns.«
»Doch nicht Onkel Arthurs? Die sommersprossige Range mit den Rattenschwänzen?«
»Genau die. Caroline, sei so lieb und sage Sylvia, daß Faraday hier ist.«
Caroline schlängelte sich wie ein Panther vom Sofa herunter. Als sie an Faraday vorbei wogte, zischte sie: »Doktor Curit! Gemeinheit!« Und damit war der Krieg erklärt.
Es war typisch für Faraday, vorzugeben, daß er sich um die Assistentenstelle bewerben wolle. Die Jahre hatten weder seine Jungenhaftigkeit gemildert noch ihm seinen medizinischen Studentenhumor geraubt. Selbst sein kürzlich erworbener Chefarztposten schien noch nicht auf ihn abgefärbt zu haben.
»Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber!« begrüßte ihn Sylvia, als sie hereinkam, und sie und Faraday umarmten sich.
»Schon gut, macht’s kurz«, knurrte ich.
Faraday ließ Sylvia los.
»Gab es in der Schweiz keine netten Mädchen?« fragte ich.
»Viele - aber sie wollten alle dort bleiben.«
»Nun, du kannst aber unmöglich eine Facharztpraxis in der Harley Street haben, ohne daß ein großes Porträtfoto deiner Gattin auf dem Schreibtisch steht. Das wäre schlecht fürs Geschäft.«
»Könnten wir Sylvia nicht teilen?«
»Nein, das können wir nicht!«
»Ich meine natürlich nur das Foto.«
Auf meinen wütenden Blick hin fügte er hinzu: »Das würde doch ungeheuer eindrucksvoll aussehen.«
»Ohne Zweifel. Wann beginnst du deine Privatpraxis?« wechselte ich das Thema.
»Ich habe schon begonnen. Harley Street Nummer 266. Telefon Wimpole 3833. Mach dir bitte eine Notiz und schick mir freundlicherweise einige Patienten.« Er zog einen großen weißen Umschlag aus seiner Tasche, nahm daraus einige quadratische weiße Karten und gab sie mir. »Das ist es, weshalb ich eigentlich komme.«
Es waren Einladungen für einen Ärzteball.
»Nett von dir«, sagte ich. »Ladest du uns ein?«
»Zum Teufel. Ich meinte, ihr würdet mich mitnehmen. Ich muß jetzt die Runde machen, mich bei den praktischen Ärzten und ihren Gattinnen beliebt machen.« Damit legte er seine Arme wieder um Sylvia. - »Damit brauchst du nicht bei Sylvia zu beginnen. Ich schicke dir auch ohne das Patienten.«
»Ich wollte nur üben.«
»Ich kenne dich, du brauchst keine Übung mehr.«
»Es reicht nicht aus, daß du dich auf einem Ball beliebt machst«, erklärte Sylvia. »Du mußt die Ärzte mit ihren Frauen selber einladen. Dinner, Cocktails und so weiter. Wir bekommen immer solche Einladungen.«
»Gebackene Bohnen auf Toast, Sitzgelegenheit auf dem Bett, das könnte ich in meiner Bude bieten«, seufzte Faraday und blickte dann fragend auf Sylvia. »Falls du nicht...«
»Nein, du kannst Sylvia nicht ausleihen«, unterbrach ich ihn. »Es muß doch irgendwo ein Mädchen zu finden sein.«
»Für den?« fragte eine Stimme von der Tür her. Und dort stand Caroline malerisch an einen Türpfosten hingegossen und streckte abwehrend eine Hand gegen Faraday aus.
»Wie wäre es mit Caroline?« fragte ich. »Sie ist ein nettes Mädchen, leicht zu behandeln, gesund - nun, alles dran.«
»Nett von dir, Dok, aber ich habe jetzt nicht die geringste Lust mehr.«
»Rufen Sie mich an«, bat Faraday mit unbewegtem Gesicht, »wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten.« Wir beschlossen, mit Faraday zum Ärzteball zu gehen, damit er sich unter die zukünftigen Hilfsquellen zum Erwerb seines Lebensunterhalts mischen konnte, und verbrachten den Rest des Abends mit Fachgesprächen. Es war wie in alten Tagen. Wenn er über ärztliche Belange sprach, war Faraday ein vollkommen veränderter Mann, die Leichtfertigkeit, die Neckerei war verschwunden. Die Medizin war die Liebe seines Lebens, seine Arbeit, sein Hobby und hielt seine Gedanken im Wachen und Schlafen gefangen. Ich besprach oft meine schwierigen Fälle mit ihm, und es gelang ihm meistens, sie in ein neues und beachtenswertes Licht zu rücken.
Ohne daß wir es bemerkt hatten, war es Mitternacht geworden. Sylvia und Caroline hatten schon lange vorher gute Nacht gesagt und waren zu Bett gegangen.
Ich brachte Faraday hinaus. Es war eine kalte, klare
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