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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Doktor?«
    Ich schüttelte ihre Hand.
    »Wieviel war es denn?« fragte sie.
    »Wieviel?«
    »Ich hörte, Sie hätten beim Rennen gewonnen.«
    »Tut mir leid, Mrs. Lane. Ich wollte, es stimmte.«
    Sie sagten, daß es ihnen leid täte, mich zu verlieren, nachdem sie sich jetzt an mich gewöhnt hätten, und daß man mich vermissen würde. Obwohl ich nicht die Absicht hatte, irgendwohin zu gehen, war ich doch gerührt.
    An diesem bewußten Morgen eilte ich fröhlich in meine Sprechstunde, zwanzig Minuten zu spät wegen einer Bronchitis des Babys der Familie Waites, und fand dort Peter und Penny würdig auf den beiden Stühlen sitzen, die vor meinem Tisch standen.
    Die Zwillinge waren das neurotischste und empfindsamste Kinderpaar, das man sich nur denken kann, und ich schrieb diesen Zustand dem Einfluß ihrer Umgebung zu.
    Bei den Mahlzeiten hatte ich das Telefon auf dem Tisch stehen. Wenn ein Patient mich während des Essens anrief, lauschten die Zwillinge stets begierig auf meinen Teil der Unterhaltung, und wenn ich den Hörer zurückgelegt hatte, wollten sie immer ganz genau wissen, was für ein Fremdkörper verschluckt, ins Ohr gesteckt oder in die Nase geschoben wurde (falls es sich um Perlen handelte, mußten sie auch die genaue Farbe wissen), woher das Blut kam, falls es sich um einen Fall von Blutung handelte, oder welcher Körperteil nicht funktionierte. Gewöhnlich versuchten sie zwei oder drei Tage später, diese aus zweiter Hand erhaltenen Symptome bei sich selber zu produzieren. Penny hatte schon verschiedentlich ernsthafte Kopfschmerzen vorgegeben, Leibschmerzen (von Augenrollen begleitet) oder die Lähmung verschiedener Glieder, während Peter eines Tages mit vollem Ernst verkündete, daß er ein Baby erwarte. Kein Tag ging vorbei ohne eine Blase, einen Schorf oder eine Schramme, die meist so winzig waren, daß man sie kaum entdecken konnte und mir in den unmöglichsten Augenblicken zur Begutachtung vorgezeigt wurden, so daß ich die Regel aufgestellt hatte, alle Beanstandungen könnten mir nur in der Sprechstunde mitgeteilt werden.
    Jetzt hatten sie mich anscheinend beim Wort genommen.
    »Seht einmal, Kinder«, sagte ich, eine Hand auf dem Summer, der den ersten Patienten aus dem Wartezimmer hereinrufen würde, »ich habe jetzt keine Zeit mehr, mich mit euch zu unterhalten, und wenn ihr euch nicht beeilt, kommt ihr zu spät zur Schule.«
    »Aber, Daddy«, entgegnete Penny verletzt, »du hast gesagt, in der Sprechstunde.«
    »Das stimmt.« Ich konnte sehen, daß sie zu allem entschlossen waren. »Nun gut, ich gebe euch zwei und eine halbe Minute, und das ist mehr, als ich für die meisten Patienten zur Verfügung habe. Was ist los?«
    »Es ist Peter«, erklärte Penny. »Er hat einen Fleck.«
    »Wo?«
    Sie wandte sich mütterlich zu Peter um, der Mitleid erregend auf seinem Stuhl hockte. »Zeig’s ihm, Peter.« Sie zog an seinem Pullover, den Peter auszuziehen begann.
    »Komm, sei lieb, sag mir, wo es ist. Dann ziehe ich dich aus.«
    »Auf meinem Rücken.«
    Ich schob Pullover, Hemd und Unterhemd hoch und blickte auf der zarten Haut herum. »Ich kann nichts sehen.«
    Penny stand auf und beugte sich über ihn. »Da!« sagte sie und zeigte triumphierend mit dem Finger. Ich sah näher hin und konnte einen roten Flecken ausmachen, der nicht größer als der sprichwörtliche Stecknadelkopf war.
    »Ach«, beruhigte ich sie und ging an meinen Tisch zurück. »Das ist nichts, um sich Sorgen zu machen.«
    »Es juckt«, erklärte Peter hoffnungsvoll.
    »Das hört auch wieder auf.«
    »Brauche ich nicht irgend etwas draufzustreichen?«
    »Nein, das geht so vorbei.«
    Penny erhob sich. »Michael hast du was in einer Tube gegeben, als er Flecken hatte.«
    »Michael hatte Ausschlag«, seufzte ich.
    Plötzlich kam ich zu mir und merkte, daß ich mich da mit meinen eigenen Kindern herumstritt.
    »Nun geht aber«, befahl ich, »jetzt ist’s genug. Die Leute stehen schon Schlange auf dem Gartenweg. Los mit euch in die Schule.«
    Sie erkannten die Stimme der Autorität und verschwanden, Peter mit heraushängendem Unterhemd. Es war elf Uhr dreißig, bis ich mit der Sprechstunde fertig war, und ich hatte noch eine Besucherliste zu erledigen, die länger war als je zuvor. Als ich die Haustür hinter mir zuschlug, wurde sie im gleichen Augenblick wieder geöffnet.
    »Dok!« Caroline stand da in einem engen schwarzen Rock, sehr hochhackigen Schuhen und einem Nylon-Büstenhalter. Auf ihrem Kopf saß ein rosa Bienenstock von

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