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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Hut.
    »Kannst du mich zum Bahnhof fahren? Ich bin furchtbar spät dran.«
    »In der Aufmachung?«
    »Höchstens drei Minuten. Ich muß nur noch meine Augenwimpern tuschen.«
    »Hör mal, Caroline. Ich habe heute früh keine Zeit zum Warten. Es liegen mehr Besuche vor, als ich bewältigen kann, und außerdem komme ich nicht am Bahnhof vorbei, ich fahre in entgegengesetzter Richtung.«
    »Ich habe eine wichtige Verabredung«, schmollte sie.
    »Dann hättest du dich eher fertig machen sollen.«
    »Hab’ ich ja. Mein Reißverschluß ging nicht.«
    »Hör, Caroline...«
    »Es ist im Interesse des Sex!« flehte sie.
    Es würde schneller gehen, wenn ich nicht mehr widersprach.
    »In fünf Minuten bin ich zurück«, schlug ich vor. »Wenn du dann nicht fertig hier stehst, um einzusteigen, dann hast du Pech gehabt.«
    »Dok«, atmete sie auf, »du bist ein wirklicher Kavalier.«
    Eine halbe Stunde später, als ich Mrs. Stranaghans Unterleib abtastete, erinnerte ich mich plötzlich an Caroline. »Oh, je!« seufzte ich.
    Mrs. Stranaghan fuhr hoch. »Ist es etwas Ernstes?«
    Ich beruhigte sie, verschrieb ihr etwas für ihre Verdauung und wandte den Wagen heimwärts.
    Caroline, unter ihrem rosa Bienenkorb jetzt von einer Art orangefarbenem Zelt umweht, hatte eine Zeitung auf dem Randstein ausgebreitet und sich darauf niedergelassen.
    »Man wird dich noch wegen Landstreicherei verhaften«, sagte ich, als sie in den Wagen stieg.
    »Und du müßtest skalpiert werden, weil du mich fünfundzwanzig Minuten wie einen Landstreicher auf dem Randstein sitzen läßt«, entgegnete sie, wie üblich nie um eine Antwort verlegen.
    Ich blieb ohne Reue. »Du solltest mich nicht bei der Arbeit stören, ich habe schließlich kein Taxiunternehmen.«
    Sie öffnete den Mund.
    »Auch nicht, wenn es im Interesse des Sex liegt«, kam ich ihr zuvor.
    »Ich habe eine sehr wichtige Verabredung.«
    »Mit wem?«
    »Eine Miss Entwhistle und ein Mr. Tree.«
    »Wo?«
    »Mile End.«
    »Weißt du, wo das ist?«
    »Im Osten«, antwortete sie.
    »Das ist ein Elendsviertel, ein richtiger Slum.«
    »Natürlich, ich bin ja kein Snob.«
    Ich betrachtete sie in ihrem verrückten Hut und den spitzhackigen Schuhen. »So angezogen kannst du unmöglich dahin gehen.«
    Sie warf sich in die Brust. »Ich bin ein Gesandter meines Landes.«
    »Ich hoffe, daß die Eingeborenen deine diplomatische Immunität respektieren«, sagte ich, und in diesem Augenblick hörten wir ein Feuerwehrauto schnell auf uns zukommen. Ich fuhr dichter an den Randstein heran, um es vorbeifahren zu lassen, und Caroline fuhr mit vor Aufregung funkelnden Augen hoch.
    »Los«, schrie sie, »worauf warten wir noch?«
    »Ich warte auf nichts.«
    »Los, hinterher! Ist das nicht aufregend?«
    Ein zweiter Wagen raste mit heftig bimmelnden Glocken an uns vorbei.
    »Caroline«, flehte ich, »reg mich bitte nicht auf. An einem anderen Tag werde ich dich gern zu einer Brandstelle hinfahren, aber heute morgen bin ich allzu beschäftigt. Was ist denn übrigens mit Miss Entwhistle?«
    Aber Caroline starrte hinter dem verschwindenden Feuerwehrauto her. »Schon seit meiner Kindheit«, murmelte sie, »haben Feuerwehrautos etwas Anziehendes auf mich.«
    »Das gilt für manches andere auch«, wehrte ich ab, aber meine Worte gingen im Lärm des dritten roten Wagens unter, der mit voller Fahrt an uns vorbeibrauste.
    »Los, los!« schrie Caroline mit fuchtelnden Armen, und ihre Begeisterung war ansteckend. Ich trat auf den Gashebel und folgte gefährlich dicht im Kielwasser des roten Wagens.
    »Es kann nicht sehr weit sein«, rief Caroline, die sich aus dem Fenster beugte und ihren rosa Bienenkorb fester auf den Kopf drückte. Im gleichen Augenblick rochen wir den Rauch, und als ich eine orangefarbene Flamme über den Dächern in den farblosen Himmel aufzüngeln und dann wieder verschwinden sah, spürte ich ein seltsames unbekanntes Gefühl in meinen Eingeweiden. Das Feuerwehrauto vor mir fuhr noch um zwei weitere Ecken, so schnell, daß ich dachte, es würde sich überschlagen, dann hielt es plötzlich, und ich stoppte, daß Caroline und ich fast durch die Windschutzscheibe sausten.
    Es kam mir vor, als hätte ich eine Ewigkeit lang erstarrt gesessen, aber es konnten nur Sekunden gewesen sein. Wir standen in einer kleinen Seitenstraße vor einem großen Gebäude, von dem die Hälfte brannte. Schreien, Rufen, laufende Leute, Feuerwehrleute, Krankenwagen.
    »Ganz schönes Feuer!« sagte Caroline, und dann folgte sie meinen

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