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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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sie kurz darauf über den Grecheskij Prospekt zum Auferstehungsplatz. Dort nahmen sie die Straßenbahn Richtung Admiralität. Tatiana stützte sich auf Marinas Arm. Das Gehen beanspruchte ihre ganze Energie und so fiel es ihr schwer, sich gleichzeitig mit Marina zu unterhalten. »Tania, warum bist du von einem fahrenden Zug gesprungen? Hast du dir dabei das Bein gebrochen?« »Nein«, sagte Tatiana. »Und was den Zug angeht... ich ... ich musste es einfach tun.«
    »Ach, und die Ladung Ziegelsteine ist wohl auch auf dich gestürzt, weil es so sein musste, wie?«, schnaubte Marina. »Ja. Hör jetzt bitte auf!«
    Marina lachte. »Es tut mir Leid wegen Pascha, Taneschka«, sagte sie dann ernster. »Er war ein toller Junge!« »Ja«, stimmte Tatiana zu. »Ich wünschte, ich hätte ihn gefunden ...«
    »Ich weiß.« Marina schwieg. »Das war kein besonders guter Sommer für dich. Ich habe dich seit Kriegsausbruch nicht gesehen.«
    Tatiana nickte. »Beinahe hätte ich dich besucht...« »Warum bist du denn nicht gekommen?« Tatiana hätte Marina am liebsten alles anvertraut - ihre Gefühle und ihr schlechtes Gewissen, ihre Angst und Verwirrung. Stattdessen erzählte sie ihr von Dascha und Alexander, von sich und Dimitri, von Luga und von Alexanders Suche nach ihr. Sie brachte die Wahrheit einfach nicht heraus. Mittlerweile waren sie am Park der Admiralität angelangt, der am Ufer der Newa zwischen Palastbrücke und Isaakskathedrale lag. Jetzt war sie nicht mehr weit von Alexander entfernt. Tatiana lächelte. Die Kronen der großen Ulmen warfen ihren Schatten auf die Bänke und Wege, genau wie im Sommergarten. Nur war sie dort mit ihm spazieren gegangen. »Tania, gibt es einen Grund, warum wir hier sind?«, erkundigte sich Marina.
    »Nein«, erwiderte Tatiana. »Wir sitzen einfach hier und reden. « Sie hatte keine Uhr. Wie spät mochte es wohl sein? »Ich bin früher oft in diesen Park gegangen«, erzählte Marina. »Einmal habe ich dich mitgenommen. Weißt du noch?« »Ja ... ich erinnere mich.«
    Marina sagte: »Ich habe die Zeit sehr genossen. Aber jetzt kommt es mir alles so fern vor ... Glaubst du, es wird wieder wie früher?«
    »Bestimmt, Marinka«, versicherte Tatiana. »Ich baue darauf, schließlich möchte ich noch etwas erleben ...« Sie grinste ihre Kusine errötend an.
    Marina lachte. »Hast du mit Dima noch nichts erlebt?« »Natürlich nicht!«, empörte sich Tatiana. Marina legte den Arm um sie. »Sei nicht traurig, Tania! Irgendwie wirst du aus dieser Stadt herauskommen.« Tatiana schüttelte den Kopf. »Nein, die Züge fahren nicht mehr, Marinka. Mga ist gefallen.«
    Marina schwieg. »Wir haben seit drei Tagen nichts mehr von Papa gehört«, sagte sie dann. »Er kämpft in Izhorsk. Das ist doch in der Nähe von Mga, oder nicht?« »Ja«, erwiderte Tatiana leise.
    Marina zog Tatiana näher an sich heran. »In Wahrheit glaube ich nicht, dass noch jemand aus der Stadt hinauskommt«, sagte sie. »Meine Mama ist krank. Mein Papa ist ...« »Ich weiß«, unterbrach Tatiana sie und tätschelte ihr Knie. »Wir schaffen das schon, Marina! Wir müssen stark sein.« »Ja, vor allem du«, sagte Marina kopfschüttelnd. »Erzählst du mir nun, warum wir hierher gekommen sind?« »Nein.« »Tania ...«
    »Nein! Es gibt nichts zu erzählen.«
    Marina kitzelte Tatiana am Arm. »Tania, erzähl mir von Dimitri!«
    »Da ist nichts.«
    Marina kicherte. »Ich kann es gar nicht fassen, dass gerade du dich mit einem Soldaten triffst.« Sie blickte Tatiana streng an. »Oh nein - du bist doch nicht etwa hier mit ihm verabredet?« »Nein!«, rief Tatiana heftig. »Dima und ich sind nur gute Freunde!«
    »Ja, sicher. Soldaten kennen nur eine Art Freundschaft...« Jetzt war es an Tatiana, ihre Kusine streng anzublicken. »Was redest du da?«
    »Weißt du noch, wie ich letztes Jahr mit einem Soldaten ausgegangen bin?« Marina schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Ich sah, wie er lebte, und sagte mir: Nichts für mich! Ich wollte nichts damit zu tun haben. Aber diesen Sommer habe ich einen netten Mann kennen gelernt, einen Studenten. Dann hat er sich für die Front gemeldet und ist nach Fornosovo gekommen. Ich habe nie wieder von ihm gehört.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Tatiana. »Womit möchtest du nichts zu tun haben?«
    »Mit den Frauen.«
    »Den Frauen?«, fragte Tatiana leise.
    »All die Frauen, die in die Clubs, die Bars und die Kasernen kommen und sich den Soldaten anbieten ... Immer, wenn die Männer dienstfrei haben,

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