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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Kommandant mir, die besten Männer mitzunehmen, die ich habe. Ich gehorche natürlich. Und dann sterben sie. Das ist grausam und schwer zu ertragen. Heute sind wir beschossen worden. Ich kann kaum glauben, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Wir haben den Männern am anderen Flussufer Nachschub gebracht, aber während wir hinüberruderten, haben die Deutschen uns von den Hügeln aus beschossen. Normalerweise nehme ich an diesen Aktionen gar nicht teil, aber heute hatten wir nicht genug Männer. Petrenko ist gefallen. Wir ruderten gerade zurück, als er von einer Splitterbombe getroffen wurde. Es war schlimm, ihn dort liegen zu sehen ...
    Es war mir wichtig, ihn angemessen zu beerdigen. Ich begrub ihn also im Wald unter einer kleinen Birke. Er hat mir einmal erzählt, dass er Birken mag. Seinen Helm habe ich ihm mit ins Grab gelegt.
    Und weißt du, was ich gedacht habe, als ich wieder im Boot war? Ich muss am Leben bleiben. Meine Tatiascha verzeiht es mir nie, wenn ich sie allein lasse. Doch wenn mir etwas zustoßen sollte, mach dir keine Sorgen wegen meiner Leiche. Meine Seele wird direkt zu dir fliegen, wo immer du auch bist! Alexander
    Das war der letzte Brief von Alexander.

    Der August ging unmerklich in den September über, und immer noch wartete Tatiana vergeblich. Sie stürzte sich in die Arbeit, lernte Englisch und las John Stuart Mill, was ihr mittlerweile keine Schwierigkeiten mehr bereitete.
    Eines Freitags erkundigte sich Irina Persikowa während der täglichen Strickstunde bei Tatiana, ob sie einen Brief von ihrem Liebsten erhalten habe. Tatiana arbeitete gerade an einem Pullover für Alexander.
    »Seit einem Monat schon nicht mehr«, antwortete Naira leise an Tatianas Stelle. »Wir reden nicht darüber. Tatiana geht jede Woche nach Molotow zum Sowjetbüro, aber bisher gibt es keine Nachricht.«
    Dusia bemerkte: »Auf jeden Fall ist Gott mit ihm!« »Mach dir keine Sorgen, Tatiascha! Auf die Post ist einfach kein Verlass, das weißt du doch. Die Briefe brauchen immer so lange ...«, sagte Axinja herzlich.
    »Ich weiß, Axinja«, erwiderte Tatiana, ohne aufzublicken. »Ich mache mir auch gar keine Sorgen.«
    »Ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, die dir gefallen wird: Ein paar Monate, bevor du herkamst, wohnte eine Frau namens Olga in unserem Dorf. Ihr Mann war auch an der Front. Sie wartete und wartete, dass endlich ein Brief von ihm käme. Aber vergeblich. Wie du war sie sehr unruhig, aber dann bekam sie zehn Briefe gleichzeitig.«
    »Das wäre großartig!«, rief Tatiana. »Zehn Briefe auf einmal!« »Ja, mein Liebling.« Axinja lächelte. »Also, mach dir keine Gedanken!«
    Dusia erinnerte sich ebenfalls an die Geschichte. »Olga ordnete die Briefe in der chronologischen Reihenfolge und begann, sie zu lesen. Neun Briefe stammten von ihrem Mann, aber der zehnte war von einem Kommandanten ...« Tatiana wurde blass.
    »Dusia!«, unterbrach Axinja ihre Freundin. »Um Himmels willen, hast du denn überhaupt keinen Verstand? Hör auf, Tatiana Angst einzujagen!«
    Tatiana ließ die Stricknadeln sinken. »Ich fange schon mal an, das Abendessen vorzubereiten.«
    Wie betäubt taumelte sie nach Hause und holte den Puschkin aus der Truhe. Alexander hatte ihr gesagt, er habe das amerikanische Geld wieder in den Buchdeckel gelegt. Vorsichtig schnitt Tatiana ihn auf. Da war das Geld! Erleichtert nahm sie es in die Hand und zählte es. Es waren fünftausend Dollar.
    Um sicher zu sein, zählte sie noch einmal nach, schließlich noch ein drittes Mal, weil sie es einfach nicht glauben konnte. Er hatte versprochen, ihr sein gesamtes Vermögen dazulassen, und jetzt musste sie feststellen, dass es nur die Hälfte war. Warum hatte er fünftausend Dollar mitgenommen? Sie drückte das Geld an ihre Brust und versuchte, sich über Alexanders Beweggründe klar zu werden. Als er damals in den Sümpfen nur wenige Meter von der Freiheit entfernt war, hatte er sich dazu entschieden, umzukehren und stattdessen Jurij zu retten. Alexander war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Und er hatte schließlich Stepanow sein Wort gegeben.
    Aber er hatte auch Dimitri sein Wort gegeben.



Tatiana beschloss, keine Sekunde länger in Lazarewo zu bleiben.
    Sie schrieb zehn Briefe an Alexander, entspannte, heitere, tröstende Briefe, die sie dem Wechsel der Jahreszeiten anpasste. Dann bat sie Naira, die Briefe im Laufe der nächsten Zeit in der chronologischen Reihenfolge abzuschicken. Ihr war klar, dass die alten Frauen sofort mit einem

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