Die Liebenden von Leningrad
über meine Vergangenheit gesprochen ...« »Reden Sie nicht weiter. Ich weiß schon Bescheid.« »Sie haben mich gefragt, was Sie tun könnten, um mir zu hei-fen. Erinnern Sie sich? Und ich antwortete Ihnen, dass Sie mir nichts schuldig seien. Nun, jetzt hat sich herausgestellt, dass ich mich geirrt habe. Ich bin jetzt auf Ihre Hilfe angewiesen.« Sayers lächelte. »Major Below, ich tue ja schon alles für Sie, was ich kann. Ihre Krankenschwester hat große Überzeugungskraft. «
»Nein, hören Sie gut zu. Ich möchte Sie um eins bitten, nur um eins.«
»Worum geht es?«
Mit letzter Kraft antwortete Alexander: »Bringen Sie meine Frau aus der Sowjetunion hinaus.« »Aber das habe ich doch vor, Major.«
»Nein, Doktor, ich meine jetzt, sofort. Nehmen Sie meine Frau und nehmen Sie« - er konnte kaum den Namen aussprechen -»nehmen Sie Chernenko, den Kerl mit dem gebrochenen Arm, und bringen Sie sie fort«, flüsterte er. »Was reden Sie da?«
»Doktor, wir haben nicht mehr viel Zeit. Jede Minute kann Sie hier jemand wegrufen und ich habe keine Möglichkeit mehr, es Ihnen zu erklären.«
»Sie kommen doch mit uns.«
»Nein.«
Erregt rief Sayers auf Englisch aus: »Major, was reden Sie da, zum Teufel?«
»Pst!«, sagte Alexander. »Sie müssen allerspätestens morgen aufbrechen.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Vergessen Sie mich! Dr. Sayers, Tania braucht Ihre Hilfe. Sie ist schwanger - wussten Sie das?« Fassungslos schüttelte Dr. Sayers den Kopf. »Und sie wird schrecklich verängstigt sein. Sie müssen sie beschützen. Sie braucht Sie. Bitte, bringen Sie sie fort.« Alexander wandte den Blick ab. Er dachte an die Kama, an Tatianas Hände, die sich um seinen Hals schlangen, an ihren warmen Atem an seinem Ohr, an ihre leise Stimme. »Retten Sie meine Frau!«, flüsterte Alexander. »Ich verstehe gar nichts mehr«, erwiderte Dr. Sayers. »Sehen Sie die Männer dort an der Tür? Sie sind vom NKWD.
Ich habe Ihnen doch vom NKWD erzählt, Doktor. Wissen Sie noch, was meinen Eltern und mir passiert ist?« Sayers wurde blass.
»Sie sind wegen mir hier. Morgen werden sie mich schon fortgebracht haben. Und auch Tania ist in großer Gefahr. Sie müssen sie wegbringen«, sagte Alexander.
Der Arzt verstand ihn immer noch nicht. »Alexander, ich rufe persönlich beim amerikanischen Konsulat an. Gleich morgen ...«
Alexander war sich nicht mehr sicher, ob Sayers überhaupt in der Lage sein würde, den Auftrag auszuführen. »Doktor«, sagte er, wobei er nur mühsam die Fassung wahrte, »Sie verstehen mich nicht! Wo ist das amerikanische Konsulat? In Schweden? In England? Bis Sie dort angerufen haben, haben Mechlis' Männer nicht nur mich, sondern auch Tania verhaftet. Tatiana hat keine Verbindung zu Amerika!« »Sie ist doch Ihre Frau!«
»In meinem Pass steht nur mein russischer Name, unter dem ich sie auch geheiratet habe. Bis die Vereinigten Staaten sich mit dem NKWD in Verbindung gesetzt haben, um die Sache aufzuklären, ist es zu spät für sie. Denken Sie nicht an mich! Kümmern Sie sich um sie!«
»Nein«, erwiderte Sayers widerspenstig. Er konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und ging um Alexanders Bett herum, um die Decke gerade zu ziehen.
»Doktor!«, rief Alexander aus. »Sie haben keine Zeit, um lange zu überlegen. Was glauben Sie, was mit einem russischen Mädchen geschieht, wenn der Geheimdienst erst einmal herausfindet, dass sie mit einem Amerikaner verheiratet ist, der die Rote Armee infiltriert? Was glauben Sie denn, was das Volkskommissariat dann mit meiner schwangeren Frau anstellt?« Sayers blieb stumm.
»Ich kann es Ihnen sagen - sie werden sie als Druckmittel gegen mich einsetzen, wenn sie uns verhören. Sagen Sie uns alles, oder Ihre Frau wird »streng bestraft*. Wissen Sie, was das heißt, Doktor? Ich werde ihnen alles sagen müssen, weil ich gar keine andere Chance habe. Natürlich kann es auch sein, dass sie meine Frau erpressen. Ihrem Mann passiert nichts, wenn Sie uns nur die Wahrheit sagen. Und das wird sie tun. Und dann ...«
Kopfschüttelnd erwiderte Sayers: »Nein. Wir packen Sie sofort in meinen Krankenwagen und bringen Sie nach Leningrad ins Grecheskij. Sofort. Stehen Sie auf. Und von dort aus fahren wir nach Finnland.«
»Gut«, sagte Alexander. »Aber diese Herren« - er wies mit dem Kopf zur Tür - »werden mit uns kommen. Sie werden jeden einzelnen unserer Schritte begleiten. Und dann kann keiner das Land verlassen.«
Sayers verstand immer noch nicht. Er griff nach
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