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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Schiff im Hafen von New York anlegte, konnte Tatiana nicht aufstehen. Hustend und fiebrig lag sie in der Koje. Auf einmal hörte sie Stimmen, und zwei weiß gekleidete Männer betraten die Kajüte.
    »Oh, nein, was haben wir denn hier?«, stöhnte der kleinere der beiden Männer. »Doch nicht schon wieder einen Flüchtling?« »Warte mal, sie trägt eine Rotkreuzuniform«, sagte der größere Mann.
    »Die hat sie offenbar irgendwo gestohlen. Sie geht ja über dem Bauch gar nicht zu! Die gehört ihr nicht, Edward. Komm, wir gehen. Wir melden sie später der Einwanderungsbehörde. Wir müssen jetzt erst einmal das Schiff räumen.«
    Tatiana stöhnte. Der größere Mann musterte sie. »Chris, ich glaube, sie bekommt ein Baby.«
    »Was - jetzt?«
    »Ich glaube schon.« Der Arzt tastete die Matratze unter ihr ab. »Das Fruchtwasser ist schon abgegangen.« Chris trat zu Tatiana und legte ihr die Hand auf die Stirn. »Sie glüht ja! Und hör dir mal ihren Atem an, dazu braucht man ja noch nicht einmal ein Stethoskop. Sie hat bestimmt Tuberkulose. Du meine Güte, wie viele dieser Fälle werden wir hier noch aufspüren? Ich garantiere dir, sie ist nicht die Einzige.« Edward tastete Tatianas Bauch ab. »Sie ist sehr krank«, erwiderte er. »Miss, sprechen Sie englisch?« Als Tatiana nicht antwortete, maulte Chris: »Siehst du?« »Vielleicht hat sie ja Papiere? Miss, haben Sie einen Ausweis?« Als Tatiana immer noch nichts sagte, erklärte Chris: »Ich hab's dir ja gesagt. Ich gehe jetzt.«
    Edward wandte ein: » Chris, sie ist krank und sie bekommt ein Kind! Willst du sie hier einfach allein lassen?« Er lachte. »Was bist du eigentlich für ein Arzt?«
    »Ein müder und unterbezahlter Arzt. Wo sollen wir sie denn hinbringen?«
    »Wir bringen sie ins Quarantäne-Krankenhaus auf Ellis Island. Dort ist Platz, und dort kann sie sich erholen.« » Mit Tuberkulose ?«
    »Man wird sie vorübergehend isolieren müssen. Nun komm schon!«
    »Edward, sie ist ein Flüchtling! Sieh sie dir doch an! Wenn sie bloß krank wäre, würde ich sagen, na gut, aber du weißt genau, wenn sie das Kind auf amerikanischem Boden bekommt, dann hat sie ein Recht darauf, hier zu bleiben. Lass sie das Kind auf dem Schiff bekommen und bring sie anschließend nach Ellis. Sobald es ihr wieder besser geht, wird sie deportiert. Das ist nur fair. Es kommen mittlerweile so viele Leute ohne Visum nach Amerika ... Wenn dieser verdammte Krieg vorbei ist, werden es wahrscheinlich sogar noch mehr. Der gesamte europäische Kontinent wird ...« »Wovon sprichst du, Chris Pandolfi?« »Na, du kannst dich hier gut aufspielen, Edward Ludlow.« Chris winkte ab und ging. In der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: »Wir kommen später noch einmal wieder. Das Baby kommt sowieso noch nicht. Sie liegt ja noch ganz still. Komm, wir gehen.«
    In diesem Moment stöhnte Tatiana leise auf. Edward blickte sie aufmerksam an. »Miss?«, sagte er. »Miss?« Tatiana hob die Hand und legte sie an Edwards Wange. »Helfen Sie mir«, sagte sie auf Englisch. »Ich bekomme ein Kind. Helfen Sie mir bitte!«
    Edward Ludlow besorgte eine Trage für Tatiana und brachte sie mit Hilfe des widerstrebenden Chris Pandolfi über die Gangway zu der Fähre, die nach Ellis Island fuhr. Das Krankenhaus auf der kleinen Insel diente als Quarantäne- und Auffangstation für die Immigranten und Flüchtlinge, die in die Vereinigten Staaten strömten.
    Auf Ellis wurde Tatiana in ein kleines, spartanisch eingerichtetes Zimmer gebracht. Edward legte sie auf ein Bett mit gestärkten weißen Laken und holte eine Krankenschwester, die sie ausziehen sollte. Nachdem er sie untersucht hatte, blickte er Tatiana überrascht an und sagte: »Ihr Kind ist ja schon fast da. Haben Sie das nicht gespürt?«
    Tatiana atmete kaum. Sie krümmte sich zusammen, als der Kopf des Kindes austrat, aber sie spürte die Schmerzen nur wie durch einen Nebel.
    Edward hielt das Baby hoch. »Miss, können Sie mich hören? Sehen Sie bitte her. Sie haben einen wunderschönen Jungen!« Der Arzt trat lächelnd näher und zeigte ihr das Baby. »Ein großer Kerl - dass aus einer so kleinen Frau ein so großes Baby kommen kann! Brenda, sehen Sie mal! Finden Sie das nicht auch ungewöhnlich?« Brenda wickelte das Kind in ein weißes Tuch und legte es neben Tatiana.
    »Er ist zu früh gekommen«, hauchte Tatiana und berührte ihr Kind.
    »Zu früh?« Edward lachte, »Nein, ich würde sagen, er ist gerade noch rechtzeitig zur Welt gekommen.

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