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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Deutschen auch Bomben geworfen.« Tatiana schluckte. »Sie sind auf der anderen Seite des Flusses.«
    »Ich weiß. Morgen oder spätestens übermorgen werden sie auf dieser Seite sein. Wir müssen im Morgengrauen aufbrechen. Ich habe einen Gaskocher vor dem Zelt. Ich hole jetzt noch einmal Wasser, wasche mich und dann koche ich uns einen Tee. Und geh nicht weg!« Alexander grinste. Dann zog er eine Flasche Wodka aus seinem Rucksack und setzte sie an Tatianas Lippen. »Ich ...«
    »Bitte, trink einen Schluck! Du wirst starke Schmerzen haben und der Alkohol lindert sie ein bisschen. Hast du dir schon jemals etwas gebrochen?«
    »Den Arm, vor Jahren«, antwortete Tatiana und trank schaudernd einen Schluck.
    »Warum hast du dir die Haare abgeschnitten?«, fragte Alexander. Er musste einen Moment lang die Augen schließen, weil er es kaum ertragen konnte, sie so nahe vor sich zu sehen. »Ich wollte nicht, dass sie mir im Weg sind«, sagte sie. »Gefällt es dir nicht?« Sie blickte ihn verschämt an. »Doch, es gefällt mir«, erwiderte Alexander rau. Am liebsten hätte er sie geküsst. Er legte sie auf seinen Mantel und verließ das Zelt, um wieder zur Besinnung zu kommen. Ihre Hilflosigkeit und Verletzlichkeit hatten all seine verdrängten Gefühle für sie wieder an die Oberfläche gebracht. Er wusch sich am Fluss, dann kochte er Tee und ging zurück ins Zelt. Tatiana war nur halb bei Bewusstsein. Er hätte gern etwas Morphium gehabt.
    »Ich habe Schokolade für dich. Möchtest du ein Stück?« Sie drehte sich auf ihre gesunde Seite und lutschte an einem Stück Schokolade, während Alexander neben ihr hockte.
    »Möchtest du nicht auch ein Stück?«
    Er schüttelte den Kopf. »Warum hast du so etwas Verrücktes getan, Tania?«
    »Um meinen Bruder zu finden.«
    »Warum bist du nicht einfach in die Kaserne gekommen und hast mich gefragt?«
    »Ich war ja schon einmal da und ich dachte, wenn du etwas wüsstest, hättest du mich abgeholt.« Sie blickte ihn an. »Hast du ...«
    »Es tut mir Leid«, sagte Alexander. Ihr rundes Gesicht wurde blass. Sie versuchte, tapfer zu sein. »Tania, es tut mir wirklich Leid, aber sie haben Pascha nach Nowgorod geschickt.« »Oh nein«, wimmerte Tatiana erstickt. »Bitte, sag nichts mehr! Bitte!« Sie begann zu zittern. »Mir ist so kalt«, klagte sie und legte ihre Hand auf seinen Stiefel. »Kannst du mir einen Schluck Tee geben?«
    Alexander hielt ihren Kopf und setzte die Tasse an ihren Mund. »Ich bin müde«, flüsterte sie, nachdem sie getrunken hatte, und sank auf die Decke zurück. Sie sah ihn unverwandt an. Genau wie früher.
    Alexander rückte von ihr ab, aber da flüsterte sie: »Wohin gehst du?«
    »Nirgendwohin. Ich bleibe hier«, sagte er. »Ich schlafe hier und morgen früh gehen wir nach Hause.«
    »Es ist zu kalt für dich auf dem Gras«, flüsterte sie. »Komm her!«
    Alexander schüttelte den Kopf.
    »Bitte, Shura«, hauchte Tatiana mit ihrer süßen Stimme und streckte die Hand nach ihm aus. »Bitte, komm zu mir!« Selbst wenn er all seine Kraft zusammengenommen hätte - er hätte nicht nein sagen können. Er löschte die Lampe, zog sich die Stiefel und seine verschmutzte Uniform aus, holte ein sauberes Unterhemd aus seinem Rucksack und legte sich neben Tatiana auf den Mantel. Dann deckte er sie beide mit der Wolldecke zu.
    Es war stockdunkel im Zelt. Er lag auf dem Rücken und sie lag auf der linken Seite in seiner Armbeuge. Alexander hörte das Zirpen der Grillen und Tatianas leises Atmen. Er spürte ihren warmen Atem auf seiner Schulter und seiner Brust. Und er fühlte ihren nackten Körper auf seinem Arm. Er bekam beinahe keine Luft mehr. »Tania?«
    »Ja?«, fragte sie mit bebender Stimme. »Bist du zu müde, um zu reden?« »Nein.«
    »Erzähl mir ganz genau, was passiert ist!« Nachdem sie ihm alles berichtet hatte, schwieg er für eine Weile und fragte dann ungläubig: »Du bist unter die Leichen gekrochen, nachdem der Bahnhof eingestürzt war?« »Ja«, antwortete sie.
    Alexander schwieg. »Nettes militärisches Manöver, Tatia.« »Danke.«
    Sie schwiegen beide, und dann hörte er sie weinen. Er drückte sie an sich. »Das mit deinem Bruder tut mir Leid.« »Shura«, sagte Tatiana so leise, dass er sie kaum verstand. »Weißt du noch, wie ich dir erzählt habe, dass Pascha und ich immer an den Ilmensee bei Nowgorod gefahren sind?« »Ja, ich erinnere mich, Tania.« Er strich ihr über die Haare. »Meine Tante Rita und Onkel Boris und meine Kusine Marina ...«

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