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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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»Die Kusine Marina?« »Wie meinst du das?«
    »Die Kusine, die du mit dem Bus besuchen wolltest?« Er lächelte in der Dunkelheit und spürte, dass sie ihn leicht anstieß. »Ja. Sie hatten eine Datscha und ein Ruderboot auf dem See und wir ruderten immer abwechselnd, Pascha und ich. Ich bis zur Hälfte des Sees und er dann die andere Hälfte. Na ja, eines Tages stritten wir uns darüber, wo die Hälfte eigentlich ist. Pascha wollte mich einfach nicht rudern lassen, er schrie mich an und schließlich sagte er: >Du willst das Ruder haben? Hier, du kannst es haben!< Und er holte damit aus und traf mich, so dass ich ins Wasser fiel.« Tatiana lachte leise. »Mir war nichts passiert, aber ich wollte, dass er dachte, er habe mich verletzt. Ich hielt also den Atem an und tauchte unter das Boot. Pascha geriet in Panik und schrie meinen Namen und plötzlich sprang er ins Wasser, um mich zu retten. Ich schwamm auf die andere Seite des Bootes, zog mich hoch, kletterte hinein, ergriff das Ruder und pfiff nach ihm. Und als er sich umdrehte, schlug ich ihm das Ruder über den Kopf.« Tatiana wischte sich über das Gesicht. »Na ja, bei dem Glück, das ich immer habe, wurde er bewusstlos. Er hatte allerdings eine Schwimmweste angezogen ...« »Du nicht?«
    »Ich nicht. Ich sah ihn mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben und dachte, er mache sich auch einen Spaß mit mir. Ich wollte sehen, wie lange er die Luft anhalten konnte, aber ich war davon überzeugt, dass er es nicht so lange konnte wie ich. Also ließ ich ihn eine Minute lang treiben, dann noch eine Minute. Schließlich sprang ich ins Wasser und zog ihn ins Boot. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihn hineinbekommen habe. Dann bin ich ganz allein zum Ufer zurückgerudert, während er dalag und stöhnte, ich hätte zu fest zugeschlagen. Oh, wie haben meine Eltern mich verprügelt, als sie die Beule auf Paschas Kopf sahen! Und nachdem ich meine Strafe bekommen hatte, hat er jedem erzählt, er habe nur so getan und eigentlich sei er die ganze Zeit über bei Bewusstsein gewesen.« Tatiana begann wieder zu weinen. »Weißt du, wie ich mich jetzt fühle? Als ob Pascha jede Minute aus dem Wasser steigen müsste, um mir zu sagen, es sei alles nur ein Scherz gewesen.«
    Mit zitternder Stimme sagte Alexander: »Tatiascha, die verdammten Deutschen haben bei ihm wirklich zu fest zugeschlagen.«
    »Ich weiß«, flüsterte sie. »Ich bin so traurig, weil er allein war, als ...«
    Sie schwiegen beide und Alexander lauschte auf ihre Atemzüge, die langsam wieder regelmäßig wurden. Dass er ohne dich war, Tatiana, dachte Alexander.
    Er hörte, wie ihr Atem stockte, als ob sie etwas sagen wollte. Sanft streichelte er ihr über die Haare. »Was ist, Tatia?« »Shura ... Du hast mir so gefehlt... als du nicht mehr zu Kirow gekommen bist. Darf ich das sagen?«
    »Du hast mir auch gefehlt«, erwiderte Alexander und drückte seine Lippen auf ihr seidiges Haar. »Und du darfst alles sagen.«
    Sie schwieg wieder, nur ihre Hand streichelte unablässig seine Brust. Er drückte sie an sich. Ein Schmerzenslaut entfuhr ihr. Minuten vergingen, Stunden ... »Shura, schläfst du?« »Nein.«
    »Ich wollte nur sagen ... danke.«
    Alexander starrte in die Dunkelheit und versuchte, sich Augenblicke seines Lebens, seiner Kindheit vorzustellen. Er beschwor die Gesichter seiner Eltern herauf, dachte an Barrington. Aber er sah nichts. Er spürte nur Tatiana, die in seinem mittlerweile tauben Arm lag und seine Brust streichelte. Dann legte sie die Hand auf sein Herz, drückte ihre Lippen leicht auf sein Hemd und schlief ein. Und schließlich schlief auch er ein. Beim ersten Schimmer des blaugrauen Tageslichts wachte Alexander auf. »Tania?«, sagte er.
    »Ich bin wach«, antwortete sie. Ihre Hand lag noch immer auf seiner Brust.
    Er löste sich von ihr und ging hinaus, um sich am Fluss zu waschen. Dort war es noch dunkel. Auf der anderen Seite des Wassers waren noch keine Aktivitäten zu erkennen. Die Kanonen der Deutschen waren auf die schlafenden Sowjets gerichtet, die ihre Maschinengewehre umklammert hielten. Alexander kehrte mit frischem Wasser ins Zelt zurück, half Tatiana, sich aufzusetzen und sich zu waschen, und gab ihr dann etwas Brot und Tee.
    »Wie fühlst du dich heute Morgen?«, erkundigte er sich lächelnd. »Munter?«
    »Ja«, erwiderte sie schwach. »Ich glaube, ich kann sogar auf meinem gesunden Bein hüpfen.« Er sah ihrem Gesicht an, dass sie schreckliche Schmerzen hatte.
    Alexander weckte

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