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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Bombardierung, die Kämpfe oder eine Belagerung nicht überleben. Dein Vater möchte, dass wir gehen, und er hat Recht. In Molotow sind wir besser aufgehoben. Deinem Großvater ist eine gute Stelle als Lehrer angeboten worden und den Sommer über bleiben wir in ...«
    »Was ist mit Dascha?«, unterbrach Tatiana sie hoffnungsvoll. Deda erklärte, dass Dascha Tatiana nicht allein lassen wolle. Nicht mich will sie nicht allein lassen, dachte Tatiana. Deda war der Meinung, dass sie, Dascha und vielleicht auch ihre Kusine Marina auch nach Molotow kommen sollten, sobald der Gips von Tatianas Bein entfernt worden war. »Also bleibt Marina auch in Leningrad?« »Ja«, erwiderte Deda. »Deine Tante Rita ist sehr krank und Onkel Boris ist in Izhorsk. Wir haben sie gefragt, ob sie mit uns kommen will, aber sie hat gesagt, sie ginge nicht ohne ihre Mutter und sie könne auch ihren Vater nicht im Stich lassen, da er doch gegen die Deutschen kämpfen muss.« Marinas Vater, Boris Razin, arbeitete als Ingenieur in Izhorsk, in einer ähnlichen Fabrik wie Kirow. Da die Deutschen immer näher rückten, bereiteten sich die Arbeiter, die Panzer und Tellerminen bauten, auf den Kampf vor.
    »Marina sollte wirklich mit euch gehen«, fand Tatiana. »Sie ...« Tatiana versuchte, es vorsichtig auszudrücken. »Sie ist nicht besonders stark.«
    Deda erwiderte: »Ja, das wissen wir. Aber wie immer halt die Liebe zur eigenen Familie die Menschen davon ab, sich selbst zu retten.«
    »Denk immer daran, Taneschka«, bat Babuschka und tätschelte Tatiana durch die Decke. »Deda und ich lieben dich sehr. Das weißt du, nicht wahr?« »Natürlich, Babuschka«, beteuerte Tatiana. »Wenn du nach Molotow kommst, stelle ich dich meiner Freundin Dusia vor. Sie ist alt, sehr religiös und sie wird dich bestimmt mögen.«
    »Wunderbar«, murmelte Tatiana und lächelte müde. Deda küsste sie auf die Stirn. »Vor uns allen liegen schwere Zeiten. Vor dir besonders, Tania. Vor dir und Dascha. Seit Pascha nicht mehr da ist, brauchen eure Eltern euch mehr denn je. Kopf hoch und lass dich nicht unterkriegen!« Babuschka zog ihn am Arm und sagte: »Jetzt ist es genug! Tania, du wirst es schon schaffen. Wir erwarten dich nächsten Monat in Molotow.«
    »Hör immer auf dein Herz, Enkeltochter«, befahl Deda, während er aufstand und Tatiana umarmte. »Laut und deutlich, Deda«, erwiderte Tatiana und drückte ihn an sich.
    Als Dascha später an diesem Abend mit Alexander und Dimitri vorbeikam, erwähnte Tatiana Dedas Vorschlag. »Das wird nicht möglich sein. Im September werden keine Züge mehr fahren«, wandte Alexander ein.
    Für gewöhnlich vermied er es, das Wort in Gegenwart der anderen an Tatiana zu richten, und hielt eine vorsichtige Distanz. Tatiana hätte ihm gern geantwortet, aber ihre Gefühle waren noch zu sehr in Aufruhr und sie hatte Angst, sich zu verraten. Also sagte sie nichts. Dascha fragte: »Was soll das heißen?«
    »Es heißt, dass keine Züge fahren«, antwortete Alexander. »Im Juni hättet ihr reisen können, auch im Juli noch, aber da hat sich ja Tatiana das Bein gebrochen. Im September, wenn sie wieder gesund ist, wird kein einziger Zug mehr Leningrad verlassen, es sei denn, es passiert ein Wunder.« »Was für ein Wunder?«, fragte Dascha hoffnungsvoll. »Dass sich die Deutschen unvermutet ergeben«, entgegnete Alexander. »Doch seit wir Luga verloren haben, ist unser Schicksal eigentlich besiegelt. Wir werden sicherlich versuchen, die Deutschen aufzuhalten, damit sie nicht nach Mga gelangen. Das ist der zentrale Punkt für Zugreisen innerhalb ganz Russlands. Die Eisenbahn darf auf keinen Fall in die Hände der Nazis fallen.« Alexander senkte die Augen. »Aber ich bin sicher: Es wird doch geschehen und im September fährt kein Zug mehr.« Tatiana hörte den Unterton in seiner gleichmütigen Stimme. Tania, ich habe dir immer gesagt; Verlass diese verdammte Stadt! Du hast nicht auf mich gehört und jetzt ist es zu spät!

    Tatianas Leben im Krankenhaus war ein Zuckerschlecken gegen das, was ihr bevorstand, als sie Mitte August nach Hause kam. Als sie mehr schlecht als recht auf Krücken in die Wohnung humpelte, kochte Dascha gerade das Abendessen für Alexander. Der saß fröhlich mit Dimitri am Tisch, scherzte mit Mama, unterhielt sich mit Papa über Politik, rauchte und machte einen entspannten Eindruck.
    Unglücklich saß Tatiana am Tisch und brachte kaum einen Bissen hinunter.
    Wann würde er endlich gehen? Es war schon sehr spät. Hatte

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