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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Dascha und Alexander hingegen waren allein. Tatiana vermochte den Anblick der beiden einfach nicht mehr zu ertragen. Am liebsten wollte sie Alexander nie mehr sehen. Und am Ende des Sommers würde sich Daschas Verliebtheit bestimmt verflüchtigt haben. Nichts überstand den kalten Leningrader Winter.
    Und dennoch: Alle anderen konnte sie belügen, aber nicht sich selbst. Obwohl sie sich um Abstand bemühte, hielt sie den ganzen Tag über immer wieder den Atem an, bis sie am Abend endlich Alexanders Schritte auf dem Flur vernahm. Und sie konnte ihm nicht in die Augen schauen, ohne dass sie zu zittern begann.
    Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie immer wieder, Alexander aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie wusste, dass es besser war, ihm aus dem Weg zu gehen. Und dennoch musste sie Abend für Abend mit ihm zusammen am Tisch sitzen und ihre Gefühle verbergen.
    Im Laufe der Zeit wurde Tatiana klar, dass ihr das nicht gelang. Sie befürchtete, dass man ihr all ihre Emotionen an den Augen ablesen konnte.
    Sie vermied es, Alexander anzusehen, damit Dimitri nichts bemerkte. Aber gerade dadurch verriet sie sich. Dimitri schien misstrauisch zu werden. Sein prüfender Blick ruhte ständig auf Alexander und Tatiana. Tatiana war sicher, dass Alexander seine wahren Empfindungen besser im Zaum halten konnte.
    Die meiste Zeit über benahm er sich ihr gegenüber vollkommen unverfänglich. So, als verbinde sie nichts weiter als eine lockere Freundschaft. Wie machte er das bloß? Vielleicht lag es wirklich am Alter. Alexander war ihr so nahe gewesen ... Und nun ließ er sich nicht das Geringste anmerken. Machte diese Gabe das Erwachsensein aus? Oder hatte ihm jener magische Moment am Ende gar nichts bedeutet?
    Tatiana wusste es nicht und sie fühlte sich gedemütigt. Manchmal senkte sie den Kopf und wünschte sich weit fort.
    Doch ab und zu warf ihr Alexander einen Blick zu und sie sah die Wahrheit in seinen Augen.
    Dennoch war es schwer, seine Gegenwart zu ertragen, vor allem dann, wenn sie sich zufällig berührten. Einmal, als sie gerade allein im Zimmer waren, sagte Alexander mit breitem Lächeln: »Hallo, Tania! Ich bin zu Hause!« Unwillkürlich musste sie lachen. Und als sie aufblickte, sah sie, dass auch er lautlos lachte.
    Als Alexander eines Abends ihre Käs e-blinchiki probierte, sagte er: »Tatiana, ich finde, das ist das Beste, was du bisher gekocht hast.« Diese Bemerkung hob ihre Laune schlagartig. Dascha gab Alexander einen Kuss und rief aus: »Taneschka, du bist wirklich ein Geschenk für uns alle!« Tatianas Lächeln erlosch. Dimitri beobachtete sie scharf. Später, als Dascha und Alexander zusammen auf dem Sofa saßen, sagte Dimitri: »Dascha, ich muss feststellen, ich habe Alexander noch nie so glücklich gesehen wie mit dir.« Alle lächelten, auch Alexander, der dabei Tatianas Blick auswich. Tatiana verwandte nun ihre gesamte Energie aufs Kochen, weil sie merkte, wie gern Alexander ihre Speisen aß. »Weißt du, was ich auch gern mag?«, fragte er einmal. Tatianas Herzschlag setzte einen Moment lang aus. »Kartoffelpfannkuchen.« »Ich weiß nicht, wie man sie macht.« »Kartoffeln, Mehl, Zwiebeln. Salz.« »Ist das ein Rezept aus ...« In diesem Augenblick betrat Dascha den Raum. Am nächsten Tag buk Tatiana Kartoffelpfannkuchen mit saurer Sahne. Alle Familienmitglieder versicherten, sie hätten noch nie etwas so Köstliches gegessen. »Wo hast du denn das gelernt?«, fragte Dascha.
    Das Kochen entwickelte sich zu Tatianas einziger Freude. Am schönsten war die Vorfreude auf Alexanders begeisterte Miene. Für den weiteren Verlauf des Abends gab es zwei Varianten, und beide waren gleich schlimm für Tatiana: Entweder musste Alexander in die Kaserne zurück oder Dascha beanspruchte, mit ihm allein zu sein.
    Wo waren sie wohl früher hingegangen, als Dascha noch kein eigenes Zimmer hatte? Dascha sprach mit ihr nicht darüber. Sie redete überhaupt nicht mehr mit Tatiana. Tatiana hatte niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Eines Abends, als sie alle auf dem Dach versammelt waren, wollte Anton das Geographiespiel spielen. Tatiana erwiderte, dass sie sich auf einem Bein wohl kaum drehen könne. »Ach, komm schon, versuch es doch!«, drängte Anton. »Ich halte dich fest.«
    »Na gut«, willigte Tatiana ein, die sich nach ein wenig Ablenkung sehnte. Mit geschlossenen Augen hüpfte sie auf ihrem gesunden Bein umher. Anton hielt sie an den Armen fest und sie lachte hysterisch, weil sie alle Länder

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