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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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ihnen trat. Dimitri resignierte und verschwand.
    »Danke, Anton«, sagte Tatiana.
    »Ich helfe dir jederzeit«, erwiderte er. »Warum sagst du ihm nicht einfach, er soll dich in Ruhe lassen?« »Ob du es glaubst oder nicht: je häufiger ich es ihm sage, desto heftiger versucht er es.«
    »Ältere Männer sind eben so«, erklärte Anton in einem Ton, als ob er etwas von diesen Dingen verstünde. »Weißt du das denn nicht? Du musst ihnen nachgeben, dann lassen sie dich in Ruhe.« Er lachte.
    Auch Tatiana musste lachen. »Wahrscheinlich hast du Recht.« Sie bemühte sich weiterhin, Dimitri abzulenken. Mit Wodka funktionierte es besonders gut. Dimitri neigte dazu, zu viel zu trinken, und schlief oft auf dem Sofa im Flur ein. Dann zog Tatiana sich die alte Strickjacke ihrer Großmutter über und ging hinauf aufs Dach. Dort setzte sie sich neben Anton und dachte an Pascha und an Alexander.
    Wenn die Kinder alle ins Bett gegangen waren, blieb Tatiana noch auf dem Dach sitzen und sagte sich im Schein der Kerosinlampe englische Wörter aus dem Lexikon vor. Gern hätte sie Alexander vorgeführt, was sie schon alles gelernt hatte. Eines Abends dachte Tatiana darüber nach, wie sie ihr Leben wieder in Ordnung bringen könnte.
    Am 22. Juni war auf einmal alles durcheinander geraten. Durch den Ausbruch des Krieges hatte sie ihre Sorglosigkeit eingebüßt. Allein Tatianas Begegnung mit Alexander und ihre allabendlichen Spaziergänge waren wunderschön gewesen. Tatiana vermisste diese täglichen Höhepunkte mehr, als sie sich selbst gegenüber zugeben wollte.
    Es war zwei Uhr morgens. Tatiana fror, doch sie wollte nicht zurück in die Wohnung. Die sorgenvollen Mienen ihrer Eltern erinnerten sie ständig daran, dass sie Pascha verloren hatten. Und sie war es leid, ständig von Dascha aus dem Zimmer geschickt zu werden.
    Wenn ich bei einem Bombenangriff auf unser Haus umkäme, würden die anderen um mich trauern? Und was würde Alexander tun?, fragte sie sich.
    Er hatte sich mit Sicherheit alles anders vorgestellt. Aber gab es denn eine Alternative? Wo sollten sie sich treffen, wenn Dascha über ihre Beziehung Bescheid wüsste?
    Nichts brachte Tatiana Erleichterung, denn weder Alexanders Gleichgültigkeit noch seine düstere Stimmung beeinträchtigten ihre Liebe zu ihm.
    Plötzlich hörte sie ein fernes Grollen. Über den Himmel glitten die Luftschiffe. Irgendetwas musste sie tun.
    Tatiana ging in die Wohnung hinunter. Sie bereitete sich einen Tee zu, um ihre kalten Hände zu wärmen, und setzte sich erschöpft auf das Fensterbrett. Aus den Augenwinkeln sah sie Alexander an der Tür vorbeigehen. Er blieb stehen und einen Moment lang schwiegen sie beide. »Was machst du hier?«, fragte er leise.
    Kühl erwiderte sie: »Ich warte darauf, dass du gehst, damit ich endlich mein Zimmer wieder betreten kann.«
    Zögernd trat Alexander einen Schritt auf sie zu.
    Sie blickte ihn finster an.
    »Ich bleibe selten so lange«, sagte er.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Schuldbewusst und verständnisvoll erwiderte Alexander: »Tatiascha, es ist sehr schwer für dich, ich weiß. Es tut mir Leid. Es ist meine Schuld. Ich hätte in jener Nacht nicht ins Krankenhaus kommen dürfen!« »Ach, was war denn zuvor anders?« »Es war auf jeden Fall besser als jetzt.« »Ja, vielleicht hast du Recht.« Tatiana wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Stattdessen sagte sie: »Sag mal, bist du dafür verantwortlich, dass sich Dima in Leningrad aufhält? Er bedrängt mich jeden Abend.«
    Alexanders Augen blitzten wütend. »Mir hat er gesagt, du hättest nichts dagegen und er sei bei dir schon zum Zuge gekommen!«
    »Tatsächlich?« War Alexander deshalb so kühl gewesen? »Was genau hat er gesagt?« Tatiana war zu müde, um wütend auf Dimitri zu sein.
    »Vergiss es!«, erwiderte Alexander gequält. »Und du hast ihm geglaubt?« »Stimmt es denn nicht?«
    Sie schwang die Beine vom Fensterbrett und stellte ihre Tasse ab. Alexander trat näher.
    »Tu mir einen Gefallen und halte dich von mir fern, ja?« »Ich versuche mein Bestes«, erwiderte er und trat einen Schritt zurück.
    »Nein, das tust du nicht«, entgegnete Tatiana. »Warum kommst du immer noch hierher? Hör auf, Dascha etwas vorzumachen!« Sie seufzte tief.
    »Kämpfe in deinem Krieg und nimm Dimitri mit! Er lässt sich durch mein Nein nicht abschrecken und ich bin es langsam leid ...«
    »Ich kann jetzt nicht fortgehen. Die Deutschen sind schon zu nahe. Deine Familie wird mich brauchen.« Er

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