Die Liebenden von Sotschi
und doch immer geheimnisvollen grauen Augen.
Und so sieht er jetzt aus. Für alle Zeit. Ein Gesicht, das er sich für dich hat machen lassen, Irininka, für dich und deine Sicherheit, für dich, damit er bis zum Ende seines Lebens mit dir leben kann.
Das ist Anthony Jefferson.
Sie stieß sich von der Balkontür ab, ging mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu, auch er streckte die Arme vor, ein dumpfer Laut kam aus einem noch schiefen Mund, und dann umarmten sie sich, spürten beide das Zittern ihrer Körper und fanden keine Worte – nur Töne, irgendwelche Töne, die aus ihren Kehlen quollen, unkontrolliert, selbständig, Urtöne. Und dann küßten sie sich, ganz vorsichtig. Sie spürte seine rissigen Lippen und die Fäden an Kinn und Mundwinkel, sie tastete über sein Gesicht und nahm mit ihren Lippen seine schorfige Haut auf, sie schloß seine braunen fremden Augen mit ihren Küssen und streichelte seinen Nacken, die gelockten Haare, den Hals und immer wieder sein neues Gesicht und sagte endlich mit klarer Stimme: »Mein Liebling, wie schön liegt das Leben vor uns!«
Er legte beide Arme um sie, preßte sie wieder an sich, berührte mit den Wangen ihr Haar. Sein Herz hämmerte, sie spürte es an ihrer Brust.
»O Irininka! Irininka …«
Das Sprechen fiel ihm noch schwer. Das Kinn war noch nicht beweglich genug, der Gaumen aufgetrieben, die Lippen waren geschwollen und schief.
»Es ist Professor Tuckers Meisterstück«, sagte Irene tapfer. Sie hakte sich bei Boris unter und führte ihn zum Balkon, in die Sonne. Es kostete ihre ganze Kraft, in dieses fremde Gesicht glücklich hineinzulächeln. »Mein Gott, wie gut siehst du aus!«
»Die Spiegel …« Er senkte den Kopf. »Zeig mir keinen Spiegel! Im OP habe ich ihn – habe ich ihn zertrümmert. Oh, Irininka, es ist so fürchterlich …«
»Von Tag zu Tag wird es besser werden, Liebling. Alles wird abheilen, glaub es mir! In ein paar Wochen hast du ein schönes, glattes Gesicht, wie auf der Zeichnung. Man wird keine Narben sehen, und wenn sie sichtbar sind, wird man sie später abschleifen.«
»Ich habe zu Tucker gesagt, als ich mich im Spiegel gesehen hatte: Sie wird mich von sich stoßen! Sie wird entsetzt sein! – Ich bin ja ein Monster! – Aber du hast mich geküßt …«
»Du bist doch Borja geblieben!«
»Ich bin Anthony Jefferson!«
»Äußerlich! Ich mache die Augen zu und sehe, was hinter der Maske ist. Und ich sehe dich an, sehe durch deine neue Haut hindurch und weiß: Das ist Boris Alexandrowitsch, meine Welt.«
Er nickte, blickte durch die Scheibe in den Park und drehte sich dann langsam um.
»Können wir jetzt endlich heiraten, Irininka?«
»Morgen, wenn es geht. Auf der Stelle! Im Paß sind wir schon Mann und Frau.«
»Ich möchte dich als Bubrow heiraten.«
»Das muß Cohagen hinbiegen. In Reno oder Las Vegas ist das vielleicht möglich. Wir werden noch heute mit ihm sprechen.«
Sie kamen wieder aufeinander zu, umarmten sich und küßten sich, und trotz des Entsetzens, das hinter ihnen lag, gehörten diese Minuten zu den glücklichsten ihres Lebens.
Als Irene klingelte, erschien Prof. Tucker sofort, als habe er draußen vor der Tür gewartet. Er stürmte herein, balancierte ein Tablett mit drei gefüllten, schaumgekrönten Gläsern und rief:
»Ich halte mein Versprechen, Tony! Das Bier! Dieses Glas sei Ihnen tausendmal gegönnt!«
Bubrow-Jefferson saß in einem Sessel am Fenster, ließ sich von der Sonne bescheinen und hatte die Augen geschlossen. Das Licht war mitleidlos. Tucker setzte sich neben ihn, drückte ihm das Bierglas in die Hand und tätschelte ihm die mit Silikon ausgespritzten Wangen. Bubrows Gesicht war durch diese Maßnahme runder und voller geworden. Irene nahm ihr Glas vom Tablett und hockte sich auf die Lehne des Sessels.
»Schön langsam trinken, Tony!« sagte Jeff Tucker. »Genußvoll in den Gaumen laufen lassen! Und noch Vorsicht mit den Lippen! Dann also – prost!«
Tucker nahm einen langen Schluck, putzte sich den Schaum vom Mund und stieß diskret auf. Bubrow hob das Glas vorsichtig an den schiefen Mund, kippte etwas Bier über die Lippen und schluckte. Ein bißchen lief an den Mundwinkeln herab und tropfte über seinen Kragen. Die Partie um die Lippen war noch etwas taub.
»Prächtig, Tony! In zwei Tagen können Sie einen richtigen Schluck nehmen! Sie sind ein Heilphänomen!«
»Ich habe vorher nie gewußt, daß Bier von den Göttern stammen muß!« sagte Bubrow und trank noch einmal. Er sah Irene
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