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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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getönten Gaze geschützt, durch die Bubrow wie durch eine dunkle Sonnenbrille sehen konnte. Noch sah die abgeschliffene Haut für Laienaugen entsetzlich aus, aber Irene als Ärztin sah das anders. Auch die Fäden und Nähte erschreckten sie nicht. Schlimmer würde es natürlich sein, wenn Anthony Jefferson ohne alle Verbände ins Zimmer trat: ein fremder Mann.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Herr Professor«, sagte Irene mit fester Stimme. »Ich soll keinen Schock bekommen. Keine Sorge, ich habe für diesen Tag lange trainiert. Ich bin jetzt dafür fit!« Sie blickte zur Tür. »Wann kommt er?«
    »Er wird nur noch zurechtgemacht. Wir ziehen noch einige Fäden und pudern etwas nach. Wenn ich die Grundzeichnung mit dem Gesicht vergleiche – ich glaube, ich habe es gut hinbekommen. Das Problem sind auch nicht Sie, sondern Tony selbst! Er hat bis jetzt noch keinen Spiegel in der Hand gehabt, während Sie ihn schon stückchenweise gesehen haben und wissen, was Sie erwartet. Tony aber wird in einen Spiegel blicken und eine noch gequollene, von Nähten zerfurchte Fratze sehen. Man kann einem Patienten immer wieder erklären, es geht alles zurück, es verwächst sich alles, man sieht später gar nichts mehr, es sind atraumatische Nähte, was man jetzt sieht, sind lediglich natürliche Abwehrreaktionen des Körpers – es ist trotz allem verdammt schwer, einen Operierten vor dem Schock zu bewahren, wenn er sich zum erstenmal im Spiegel sieht. Und auch wenn alles verheilt ist: Man war zwar prinzipiell einverstanden mit einem neuen Gesicht, man hat die Entwürfe genehmigt, hat sich brav auf den Tisch gelegt, aber dann steht man eines Tages da und erkennt sich nicht wieder, ist sich selbst ein Fremder geworden und muß nun mit diesem fremden Gesicht weiterleben. Dazu braucht man ein starkes Herz!«
    »Tony hat es. Wir haben lange über diese Stunde gesprochen.«
    »Wir auch!« Tucker griff in seinen weißen Kittel und zog einen Zettel heraus. »Das hat er gestern im OP geschrieben, als ich ihm sagte, daß morgen die Verbände fallen.«
    Er reichte Irene das Papier, sie las die wenigen Worte und legte es dann in ihren Schoß.
    »Ich habe Angst!« stand auf dem Zettel.
    Prof. Tucker kratzte sich die Nase. Jetzt hätte er sicher gern seine Weltkugel gedreht.
    »Da liegt alles drin«, sagte er.
    »Aber es war nur für Sie gedacht, Herr Professor.«
    »Trotzdem sollten Sie es wissen, Mabel.«
    »Ich weiß es ja«, sagte Irene leise. »Aber man darf es ihn nie wissen lassen, daß ich es weiß. Von Mann zu Mann, von Patient zu Arzt, das ist immer noch etwas anderes, als wenn man vor der eigenen Frau so völlig hilflos dasteht. Dazu ist Tonys Stolz zu groß. Ich habe ihn nur einmal schwach gesehen, in München, als er nicht wußte, ob ich mit ihm nach New York gehe. Als ich sagte: Ja, ich bleibe bei dir, fiel er auf die Knie. Das werde ich nie vergessen.«
    »Also gut. Lassen wir Anthony Jefferson los!« Jeff Tucker erhob sich. »Er kommt allein, Mabel, und wir lassen Sie so lange allein mit ihm, bis Sie schellen. Ich bin immer in der Nähe.«
    Tucker verließ das Zimmer, Irene schloß die Balkontür und lehnte sich gegen die große Scheibe. Das hatte den Vorteil, daß sie im Schatten blieb und Bubrow gegen das Licht blicken mußte. Ihr erstes Entsetzen, falls es eintreten und sich in ihrem Gesicht verraten sollte, würde er nicht bemerken. Sie gewann wertvolle Sekunden, in denen sie sich wieder fangen konnte.
    In den Minuten des Wartens schlug ihr Herz bis zum Hals. Endlich ging die Tür auf. Ein fremder Mann in einem hellgrauen Anzug mit feinen Nadelstreifen, einem rosa Hemd und einer hellgrauen Krawatte mit blauen Tupfen kam herein. Er hatte dunkelbraune Lockenhaare, die an den Schläfen schon etwas ergrauten. Seine braunen Augen blinzelten gegen die Sonne, in der Irene wie ein Schattenriß stand.
    »Ja, bitte, was wünschen Sie?« wollte sie gerade sagen, da erst sah sie die noch aufgetriebene Nase, das geschwollene Kinn mit den Nähten, die noch roten Ohren. Die schorfige Haut hatte man geschickt überpudert.
    Der Schock war größer, als sie es je vermutet hätte. Es war ihr, als habe sie eine Faust in den Magen getroffen, als quetsche eine andere ihr Herz ab. Ihr Kopf war erfüllt von einem Rauschen, als tobe ein Sturm in ihrem Hirn.
    Anthony Jefferson. Das ist Anthony Jefferson! Tony, dein Mann! Das ist von Boris Alexandrowitsch Bubrow übriggeblieben, von diesem schönen, blonden, fröhlichen Burschen mit den blitzenden

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