Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
an seine schweißwarme Haut und dachte an das Phänomen Zeit, sie war nicht betrunken, sie hatten noch keinen Tropfen zu sich genommen, sie erinnerte sich an eine ungeöffnete Flasche, die er versucht hatte, auf den Teppich im Zimmerflur zu stellen, aber die Flasche war umgekippt, weil sie sofort angefangen hatte zu knutschen, sie dachte an Zeit, warum bewegte sich die Zeit vorwärts? Lag es daran, was mit einer geschah, oder wie sie die Zeit nutzte? Es war dunkel in dem kleinen Zimmer, Licht spendete nur die halboffene Badezimmertür und der Standbyknopf des Fernsehers, ein kleiner roter Punkt.
Da lag sie nun in einem fremden Bett in einem fremden Raum in Berlin mit einem fremden Körper, und zwischen ihnen gab es nur klebrige Hitze, ein fremder Körper, über den sie jetzt viel wusste, ein fremder Atem, der tief in sie eingedrungen war, in bohrendem Takt, sein Sperma, das nach Salzwasser roch und schmeckte und das ihre Haut seidenweich machte, als sie es auf ihren Oberschenkeln verrieb und danach ihre Finger ableckte. Die totale Freiheit von allen anderen Gefühlen erfüllte sie in diesem Moment, denn es war für nichts anderes Platz, das Zimmer war zu klein, sein Körper war physisch zu nah.
»Again?«, fragte er.
»I’ve come four times. You twice.«
»Feel me. With your mouth.«
»I have to work tomorrow.«
»Me too. Feel me.«
Sie schmeckte sich und ihn, er wurde hart in ihrem Mund, größer und größer, das Laken war abgerutscht, sie lagen auf der nackten Matratze, sie blies seinen Schwanz, bis er sich aufrichtete, dann setzte sie sich rittlings auf ihn, hob sein Glied und ließ sich auf ihn gleiten, füllte sich mit ihm und sah, wie sein Hals sich aufbäumte, er riss sich das Kopfkissen unter dem Hinterkopf weg und hob sich ihr noch weiter entgegen.
»O God. O God, it’s been so long!«
»Why? You are so beautiful.«
»Come on. Fuck me. I’m married. No sex anymore. Come on.«
»But how old are you?«
»Twenty-five.«
»And no sex?«
»Three children. Now shut up and fuck me.«
51
Am nächsten Abend ging sie nicht in die Bar. Geir und sie saßen auf ihrem Zimmer und bauten stundenlang ihre Ausbeute des Tages zusammen, mit den Bildern auf seinem Laptop. Sie einigten sich auf zwei Reportagen mit unterschiedlichem Blickwinkel. Zuerst der Bericht von der Straße, den sie am Vorabend für ihn skizziert hatte, seine Bilder waren schrill und bunt und exotisch, die andere Reportage war ein Porträt von einer Frau aus Elverum, die vor zwanzig Jahren nach Berlin gezogen war, um tanzen zu lernen, und die jetzt ein winziges Theater mit den wildesten Aufführungen in Miniformat leitete, in enger Zusammenarbeit mit der Komischen Oper. Die Schauspieler der KO spielten oft gratis für sie, und sie konnte dort sogar Kostüme und Requisiten leihen.
Die Artikel dazu würde sie erst zu Hause schreiben müssen.
»Das hier wird richtig gut. Tausend Dank, Geir, du bist spitze.«
»Dito. Aber vielleicht wären die noch besser geworden, wenn es nicht so verdammt heiß wäre. Ich muss eine ganze Menge Schweiß von den Bildern retuschieren.«
»Warum denn? Ich werde doch schreiben, dass hier eine Hitzewelle herrscht«, sagte sie.
»Hilft nix. Die Haut glänzt zu sehr. Wir sehen ja an Sonne und Kleidung ohnehin, dass es sehr warm ist.«
Er zeigte ihr auch die Bilder, die er am Vorabend Abel geschickt hatte. Ein gelber und lachender Abel mit der Sonnenbrille oben auf dem Kopf, vor einem knalltürkisen Aquarium voller schwebender Fischsilhouetten.
»Andreas wird total glücklich sein«, sagte er.
»Ist ja auch kein Wunder.«
»Aber sicher auch über deinen Kram?«
»Sicher. No worry. Möchtest du noch mehr trinken? Ich kann was beim Zimmerservice bestellen.«
»Nein, hab ein heißes Date. Muss los. Wir sehen uns, wenn du das nächste Mal in Berlin bist.«
Sie hatte auch ein heißes Date, auch wenn sie bis dahin noch keine Ahnung davon hatte. Oder … einen gewissen Verdacht hatte sie ja gehabt, ausreichend, um die ungeöffnete Flasche vom Vorabend in die Minibar zu legen und sich den Morgenmantel überzuziehen, nachdem Geir gegangen war. Aber erst gegen ein Uhr hörte sie es klopfen, zwei leise Klopfzeichen.
»Yes?«, fragte sie, ohne zu öffnen.
»It’s Salva.«
»Salva?«
»Salvador. Let me in, you stupid woman, it’s room service.«
Er drückte ohne Umschweife seine Lippen auf ihre und sie fingerte an seiner schwarzen Kellnerweste, bis er zurückwich.
»Wait. I need a shower. Been working like a
Weitere Kostenlose Bücher