Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
angezogen.
»You have to go now. You’re a married man, remember? You don’t want me to come screaming and crying in the Lounge Bar, do you?«
»You are suddenly angry?«
»No. But I have a flight in two hours. Please leave.«
53
Sie ließ eine Handvoll Badesalz in die randvolle Badewanne fallen, zündete die Reihe von Teelichtern an, die sie am Fußende aufgebaut hatte, löschte die Deckenbeleuchtung und zog sich aus. Da klingelte ihr Handy, sie hatte vergessen, es auszuschalten.
»Verdammt.«
Es war Tonje. Sie war an diesem Tag nicht in die Redaktion gegangen, sondern hatte zu Hause gearbeitet. Jetzt benötigte sie unbedingt, wie sie sagte, einen Kommentar zu ihrem Artikel über die Trondheimsolisten.
»Aber Tonje, ich wollte gerade ein Bad nehmen.«
Sie müsse es sofort lesen, bitte, Tonje habe solche Angst, es könne nicht gut genug sein. Sie zog den Morgenmantel wieder an und öffnete die Mail, las den Text und rief Tonje zurück.
»Der Artikel ist ganz hervorragend. Natürlich hab ich ein paar kleine rein sprachliche Kommentare, aber du hast ihn gut strukturiert und relevante Dinge erzählt, der Text hat einen schönen Rhythmus und genau die richtige Menge an Wiederholungen aus dem Aufmacher.«
Tonje fing an zu weinen.
»Heulst du jetzt deswegen? Den Rest besprechen wir in der Redaktion, versuch dich heute Abend mal zu entspannen, ich weiß ja, wie dir zumute ist, ich kenne das, auch wenn du das wahrscheinlich nicht glaubst. Und du hast es geschafft! Job und Gefühle zu trennen. Du musst Profi sein, Tonje. Nicht zu viel empfinden. Niemals zuviel empfinden. Sonst überlebst du dieses Leben oder diese Branche nicht. Mach jetzt Feierabend. Wir sehn uns.«
Sie ließ heißes Wasser nachlaufen und legte sich mit einem neuen Gin und Cola auf dem Wannenrand hinein. Die Wärme breitete sich so unerwartet in ihr aus, dass sie eine Gänsehaut bekam. Es war jetzt still im Wohnzimmer, sie hatte vergessen, neue Musik einzulegen.
Verdammt …
Sollte sie jetzt etwa zu allem Überfluss auch noch in dieser erdrückenden Stille in der Wanne liegen? Aber sie hatte keine Lust, sich abzutrocknen und eine neue CD einzulegen.
Der Hahn tropfte ein wenig, die Autos sausten auf der Hauptstraße tief unter ihr vorbei, sie hörte irgendwo im Haus eine Tür schlagen, es waren Geräusche, die sie sonst nie wahrnahm. Sie trank zwei große Schlucke und fing an zu weinen. Sie musste total übermüdet sein. Sie rieb sich mit der freien Hand Badewasser ins Gesicht und weinte. Das Flackern der Teelichter sah blöd aus ohne Musik, so waren es einfach nur doofe Teelichter auf dem Rand einer beliebigen Badewanne. Warum zum Teufel hatte er gerade das gesagt, sie hatten doch zwei lange schweißnasse gute Nächte gehabt? Fünfundzwanzig Jahre alt, was zum Teufel wusste er denn über die Liebe, er war ein Kind, ein Kind, das selbst Vater von dreien geworden war, es war einfach krank und kein Grund zur Aufregung. Scheißspanier. Vielleicht sollte sie einen der Telefonsexkandidaten anrufen, sie hatte schon seit tausend Jahren nicht mehr mit dem verheirateten gesprochen, er war offenbar nicht mehr auf Reisen oder allein zu Hause. Plötzlich hatte sie schreckliche Sehnsucht nach ihm, nach ihm und keinem anderen. Und sie konnte ihn nicht anrufen oder ansimsen, das könnte fatal für ihn sein, genauso hatte er das gesagt, er beschrieb seine Ehe als ein gespanntes Seil, auf diesem Seil zu laufen war ein Balanceakt, und eine von einer eifersüchtigen Gattin entdeckte SMS würde ihn ohne Sicherheitsnetz in die Manege stürzen lassen. Meine Güte, was für eine Drama-Queen, konnte er sich nicht einfach scheiden lassen, wie andere Leute auch?
Sie brach wieder in Tränen aus, bei dem Gedanken, dass er sie nicht mehr anrief, sie sah sein Gesicht vor sich, das breite Kinn mit dem Lachgrübchen neben dem einen Mundwinkel, sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen, das Glas rutschte ihr ins Badewasser, ein kleiner dunkelbrauner, eiskalter Schwall ergoss sich auf ihrem Bauch, ehe er sich mit dem restlichen Wasser vermischte. Sie fischte das Glas heraus und schluchzte laut auf, dann stellte sie es auf den Boden vor die Badewanne.
Mit aller Kraft zog sie sich aus dem Wasser, duschte und trocknete sich ab. Sie entfernte ihr Make-up, aber die Tränen flossen immer weiter, und das Kleenex wurde triefnass, sie putzte sich die Zähne, fing an, in einer Schublade zu wühlen, irgendwo müsste sie noch milde Schlaftabletten haben, sie hatte bei ihrem letzten
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