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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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ja, das war’s. Das magst du, hat dein Papa Torfinn gesagt. Da hast du aber Glück, dass du einen Papa hast.«
    Er aß den Fisch, spuckte Reis und Tangblätter aber wieder aus. Sie hockte vor ihm und fütterte ihn, er holte sich die Fischstücke vorsichtig mit der Zunge von ihren Fingerspitzen, sein Kopf war so groß wie der eines Pferdes, er war wunderschön, die obere Linie seiner Schnauze musste mindestens zwanzig Zentimeter lang sein, gemessen vom Nasenrücken bis hinunter zu den riesigen, lakritzschwarzen und grottentiefen Nasenlöchern. Ein kleines Stück Avocado, das sie nicht einmal bemerkt hatte, fiel aus Kalles Mundwinkel und zu Boden.
    »Ich werde heute neununddreißig. Und Avocado ist genau genommen sehr gesund, du Dussel.«
    Er schaute kurz zu ihr auf, dann sah er die Schüssel mit dem restlichen Sushi an.
    »Klar doch. Du kriegst alles. Jetzt wird gefeiert, verdammt noch mal. Ich bin eine miese fuck you bitch, aber das findest du nicht, Kalle. Du bist so süß. Weißt du noch, wie du hier übernachtet hast und mir der kalte Schweiß ausbrach, weil ich dich für einen Mann gehalten habe?«
    Kalle schlabberte und schlürfte, bis die Schüssel leer war. Seine Ohrläppchen bewegten sich beim Kauen wie kleine Tiere.
    »Jetzt mache ich das Schlafzimmerfenster wieder zu, und dann hören wir ein bisschen Musik. Stressed out? Get a cat! , hab ich eben gelesen. Hältst du das nicht auch für eine saumiese Idee? Wir hören noch mal das Album von Madrugada. Das gehört zu dem Besten, was in meinem Leben in Norwegen je erschienen ist, mein Kallejunge. Industrial Silence . Weißt du, Kalle, Sivert Høyem hatte so eine Depri, dass er sich für Monate in sein Hotelzimmer eingeschlossen und Texte geschrieben und Musik komponiert hat, ich hab oft mit ihm gesprochen, er ist wie ein menschlicher Magnet. Intensiv. Er macht keine halben Sachen. Ich bin einmal seinem Vater begegnet, wir standen lange zusammen in der Winterkälte und haben geraucht. Nein, Sivert macht keine halben Sachen. Anders als ich. Komm. Komm zu mir, du unfassbar schöne biologische Maschine.«
    Sie zog ihn zu sich aufs Sofa, sie war so müde, und außerdem war da ihre Decke, die Decke, unter der sie so schön geschlafen hatte, so schön, bis sie ihn gebeten hatte zu gehen, dreizehn Jahre jünger, nein, vierzehn ab heute. Er war wirklich ein Idiot, dass er geglaubt hatte, aus ihnen könnte etwas werden. Einen ganzen Sonntag, oh Himmel. Von Freitagabend bis Sonntag, da könnten sie doch auch gleich heiraten, verdammt.
    »Na, jetzt komm schon. Du darfst auf dem Sofa sitzen. Auch wenn das zu Hause anders ist. So. Nein, leg den Kopf hierhin.«
    Sie zog an seiner Pfote, und er gehorchte, rollte seinen riesigen und betonharten Dobermannkörper in der Sofaecke zusammen. Sie platzierte zwei Sofakissen vor seinen Kopf und bettete darauf ihren eigenen, legte ihren Arm hinter Kalles Ohren, hörte der Musik zu, spürte seinen Atem, seinen Herzschlag unter dem warmen Fell, streichelte ihn, seine eiskalte Schnauze, den Kopf und die Ohren, immer wieder.
    Natürliche Autorität, vielleicht war die es, die ihr alles andere ruinierte. Sie schloss die Augen, genoss das Gefühl von lebendigem Fell unter ihrer Hand und fühlte sich unendlich sicher, weil Kalle und Sivert auf ihrer Seite waren. Wenigstens hatte sie diese beiden Dinge, einen Nachbarshund und einen fremden Musiker. Und die Decke. Das Zimmer drehte sich um sie. Sie war so müde, so tiefmüde, eigentlich müsste sie die kleine Tonje anrufen und ihr sagen, dass alles gut werden würde. Been there, seen it, done it, lost it. Noch immer schien draußen die Sonne, wollte diese Scheißsonne nicht bald mal untergehen, damit man ein bisschen Ruhe bekommen konnte, kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte, weil man nicht einsatzfähig und glücklich war und so wie alle anderen einen tollen Ausflug in die Blaubeeren gemacht hatte … Das Umland platzte im Moment vermutlich aus allen Nähten vor lauter Blaubeeren, oder vielleicht war es auch schon zu spät. Sie hatte lange schon keinen freiwilligen Ausflug mehr in den Wald zum Beerenpflücken unternommen, vielleicht sollte sie das mal versuchen.
    »Du bist der Beste auf der Welt, Kalle … der Beste auf der ganzen Welt. Pass auf mich auf, bitte, pass auf mich auf, mein Kallemann.«

70
    »Hallo, liebe Ingunn. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!!!!!!!    (Drei Smileys) Papa tippt, aber ich sage ihm, was er schreiben soll, er kann viel schneller tippen als

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