Die Liebesfalle
vorkommen würde. Nichts würde je wieder zwischen ihnen beiden passieren, denn sie liebte Ellery.
Sie marschierte hinaus auf den schummrigen Flur. Als sie die Bibliothek betrat, murmelte sie die Worte vor sich hin
Wir dürfen das nie wieder tun – und
versicherte sich, dass sie sich ebenso reif wie resolut anhörte.
Doch sie schlurfte nur zögerlich durch das sonnige Vorzimmer zu seinem Büro. Der Raum war wie zur Entspannung gemacht, mit seinen Bücherregalen, seinen hohen Fenstern und bequemen Stühlen, die einen jeden begrüßten, der Mr. Throckmorton sprechen wollte. Auf Zehenspitzen ging sie zur offenen Verbindungstür. Sie lauschte, hörte aber keinen Laut. Oh, warum erinnerte sie sich nur so deutlich daran, was letzte Nacht auf diesem stillen Korridor geschehen war? Wenn sie an Mr. Throckmorton dachte, schmeckte sie ihn. Andere Frauen, die weniger geistreich waren als sie, küssten gelegentlich Herren, ohne gleich dem Kummer zu erliegen. Andere Frauen schienen solch einen Akt weniger intim zu finden als sie. Aber vielleicht war es nur der Mangel an Übung, oder vielleicht – sie blieb wie angewurzelt auf einem Bein stehen – vielleicht erwies sich Ellery als der bessere Küsser. Ellerys Küsse würden den Eindruck von Mr. Throckmortons Lippen auslöschen.
Sie brauchte also nur hineinzugehen und zu sagen:
Wir dürfen das nie wieder tun.
Stattdessen klopfte sie an den Türstock. »Mr. Throckmorton?«, rief sie. Keine Antwort.
Sie trat ein, stand mitten in dem leeren Büro und sah sich um. Es war renoviert worden. jedes Möbelstück war sorgfältig und mit erlesenem Geschmack ausgewählt, und spiegelte nicht im Mindesten die Persönlichkeit Mr. Throckmortons wider – wie auch immer die beschaffen sein mochte.
Sie runzelte die Stirn. Nicht dass sie Mr. Throckmortons Charakter gekannt hätte. Sie kannte den Garrick ihrer Kindertage, nicht den Mann von letzter Nacht. Mr. Throckmorton hatte sie immer eingeschüchtert, aber nach letzter Nacht war sie nicht eingeschüchtert … sie war, sie wusste nicht, was sie war… sie war… entschlossen, sich ganz bestimmt nicht noch einmal küssen zu lassen, das auf jeden Fall.
Sie nahm auf einem der geraden Holzstühle vor dem Schreibtisch Platz, einem blank geputzten Schreibtisch, und entschied, dass ihre Neugier in Bezug auf Mr. Throckmorton nur natürlich war. In Paris hatte sie entdeckt, dass sie eine freundliche, sehr lebhafte Frau war. Eine einnehmende Persönlichkeit wie Mr. Throckmorton musste ihr Interesse wecken.
Der Stuhl stand mit dem Rücken zur Tür und erschien ihr hart. Also setzte sie sich auf einen anderen Stuhl, einen an der Wand, und fragte sich, ob sie in die Küche gehen und frühstücken sollte. Doch sie wollte dieses Gespräch hinter sich bringen, bei dem sie Mr. Throckmorton sagen würde …
Kurze, hastige Gesprächsfetzen aus dem Vorzimmer erregten ihre Aufmerksamkeit. Jemand war aufgeregt, eine Frau, die vor Hast und Entsetzen fast keuchte. jemand anderes, ein Mann, antwortete. Erschrocken erkannte Celeste, dass es Russisch war, welches sie verstand.
»Der Engländer wurde verraten. Die Polizei hat ihn am Treffpunkt festgenommen. Sie haben ihn mitgenommen und seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.« Die Frau sprach das Russisch der Unterschicht, so wie die Dienstboten des Botschafters.
Entsetzt drückte sich Celeste an die Wand. Was war geschehen? Wovon sprach die Russin? Was machte sie hier in England?
»Sind Sie sicher? Haben Sie es mit eigenen Augen gesehen?« Der Mann klang aristokratisch, sein Russisch jedoch gebrochen und schroff.
»Obendrein hätten sie auch mich beinahe erwischt, aber mein Wagen hatte ein Rad verloren und ich bin zu spät gekommen.«
»Welch glücklicher Zufall.« Der Mann klang ganz und gar nicht, als hielte er das für einen glücklichen Zufall.
»Jemand hat den Ort verraten«, sagte die Frau dringlich und heiser. »Das ist die einzige Erklärung. Stanhope, Sie müssen es dem Herrn sagen!«
Stanhope! Celeste erinnerte sich an Stanhope. Er war Mr. Throckmortons Sekretär und während seiner Jahre in Indien sein Begleiter gewesen. Sie hatten sich sehr nahe gestanden. Hoch gewachsen und kultiviert vereinte Mr. Stanhope in sich die Verwegenheit des Abenteurers und die Selbstzufriedenheit des britischen Adligen. Sein braunes Haar war stets perfekt frisiert. Die Sommersprossen tanzten auf seiner blassen Stupsnase. Sein Lächeln bezauberte Männer und Frauen gleichermaßen. Er war immer passend
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