Die Liebeshandlung
verwerfen.
Und:
Dieweil ihr noch fleischlich seid
Es geht eine gemeine Rede, daß Hurerei unter euch ist
Es ist dem Menschen gut, daß er kein Weib berühre. Aber um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen Mann. Ich sage zwar den Ledigen und Witwen: Es ist ihnen gut, wenn sie auch bleiben wie ich. So sie aber nicht sich mögen enthalten, so laß sie freien; es ist besser freien denn Brunst leiden.
Die Frau, die ihm das Neue Testament im Taschenformat geschenkt hatte, hatte ihre Karte hineingelegt, mit einer Athener Telefonnummer. Sie hieß Janice P.
Sie muss über meine Schulter hinweg mitgelesen haben, befand Mitchell.
Der Winter rückte näher. Von Korinth aus fuhren sie ineinem Minibus nach Süden in Richtung Mani-Halbinsel und übernachteten in dem kleinen Gebirgsdorf Andritsena. Die Temperatur war frisch, die Luft pinienduftgeschwängert, der örtliche Retsina unerhört rosa. Das einzige Zimmer, das sie fanden, lag über einer Taverne. Es war ungeheizt. Während von Norden Gewitterwolken heranzogen, stieg Larry in eines der Betten und beschwerte sich über die Kälte. Mitchell behielt seinen Pullover an. Als er sich sicher war, dass Larry schlief, holte er Madeleines Brief heraus und begann ihn in dem schwachen roten Licht auf dem Nachttischchen zu lesen.
Zu seiner Überraschung war der Brief selbst nicht getippt, sondern handgeschrieben in Madeleines winziger Schrift. (Ihr Äußeres mochte einem normal vorkommen, aber wenn man einmal ihre Handschrift gesehen hatte, wusste man, dass sie im Innern köstlich kompliziert war.)
31. August 1982
Lieber Mitchell,
ich schreibe dies im Zug, in dem gleichen Amtrak, den Du und ich genommen haben, als Du im zweiten Studienjahr zu Thanksgiving mit nach Prettybrook gekommen bist. Es war damals kälter, die Bäume waren kahl und meine Haare «fedrig geföhnt» . (es waren noch die Siebziger, falls Du Dich erinnerst). Aber das schien Dir nichts auszumachen.
Ich habe Dir das noch nie erzählt, aber während der ganzen Zugfahrt an Thanksgiving habe ich daran gedacht, mit Dir zu schlafen. Zum einen war mir klar, dass Du es unbedingt wolltest. Ich wusste, es würde Dich glücklich machen, und ich wollte Dich glücklich machen. Außerdem hatte ich das Gefühl, es wäre gutfür mich. Ich hatte bis dahin erst mit einem Einzigen geschlafen. Ich machte mir Sorgen, dass es mit der Jungfräulichkeit so ist wie beim Ohrlochstechen. Wenn du keinen Ohrring trägst, könnte das Loch wieder zugehen. Jedenfalls war ich, als ich aufs College ging, bereit, so nüchtern und gemein zu sein wie ein Kerl. Und in Dir habe ich so etwas wie eine Möglichkeit gesehen.
Dann warst Du natürlich das ganze Wochenende über umwerfend charmant. Meine Eltern mochten Dich, meine Schwester fing an, mit Dir zu flirten – und ich wurde besitzergreifend. Schließlich warst Du mein Gast. Also ging ich eines Nachts ins Dachzimmer hinauf und setzte mich auf Dein Bett. Und Du hast gar nichts gemacht. Ungefähr nach einer halben Stunde bin ich wieder hinuntergegangen. Zunächst war ich einfach beleidigt. Aber nach einer Weile wurde ich wütend. Ich kam zu dem Schluss, Du seist nicht Manns genug für mich usw. Ich schwor, nie und nimmer mit Dir zu schlafen, selbst wenn Du es wolltest. Am nächsten Tag dann fuhren wir mit dem Zug zurück nach Providence und lachten den ganzen Weg über. Mir wurde klar, so war es viel besser. Einmal im Leben wollte ich einen Freund haben, der keine Freundin und kein fester Freund ist. Abgesehen von unserem Ausrutscher kürzlich bist Du das auch für mich geblieben. Ich weiß, es hat Dich nicht glücklich gemacht. Aber für mich war es unvorstellbar, und ich habe immer gedacht, tief drinnen wäre es auch für Dich so.
Das erste Studienjahr ist lange her. Wir schreiben jetzt die Achtziger. Die Bäume am Hudson sind grünund belaubt, und ich fühle mich ungefähr hundert Jahre älter. Du bist nicht mehr der Junge, mit dem ich in diesem Zug gefahren bin, Mitchell. Ich muss Dich nicht mehr bedauern oder aus Zuneigung und Mitleid mit Dir ins Bett gehen. Du wirst allein gut zurechtkommen. Eigentlich muss ich auf der Hut vor Dir sein. Du warst gestern Abend ziemlich aggressiv. «Zudringlich», würde Jane Austen sagen. Ich sagte Dir, Du sollst mich nicht küssen, aber Du hast einfach weitergemacht. Und obwohl ich mich, als es dann zur Sache ging, nicht direkt beklagt habe (ich war betrunken!), wachte ich
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