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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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endgültig beweisen können, dass die Position des H O-Gens keinen Einfluss auf die Asymmetrie keimender Hefezellen hatte und sie deshalb jetzt einen Halm näher daran waren, die Nadel im Heuhaufen zu finden.
    Leonard stellte sich vor, wie er Kilimnik diese Dinge ins Gesicht sagte. Aber er wusste, er würde das nie tun. Wenn er sein Stipendium verlieren würde, konnte er nirgendwohin. Und er versagte, versagte bei den einfachsten Aufgaben.
    Hinter seinem Gebäude rauchte er den Rest seiner Backwoods, bis die Plastikpackung leer war.
    Als er in die Wohnung kam, saß Madeleine auf dem Sofa. Sie hatte das Telefon im Schoß, telefonierte aber nicht. Sie blickte nicht zu ihm auf.
    «Hallo», sagte Leonard. Er wollte sich entschuldigen, aber das erwies sich als schwieriger, als zum Kühlschrank zu gehen, um sich ein Rolling-Rock-Bier zu holen. Er stand in der Küche und soff gierig aus der grünen Flasche.
    Madeleine blieb auf dem Sofa sitzen.
    Leonard hoffte, dass es, wenn er ihren vorherigen Streit überginge, so scheinen könnte, als hätte er gar nicht stattgefunden. Unglücklicherweise legte das Telefon auf ihrem Schoß nahe, dass sie mit jemandem geredet hatte, wahrscheinlich mit einer ihrer Freundinnen, um sein schlechtes Benehmen zu besprechen. Tatsächlich brach sie kurz darauf ihr Schweigen.
    «Können wir reden?», sagte sie.
    «Ja.»
    «Du musst etwas gegen deine Wut tun. Du hast heute im Auto die Kontrolle verloren. Es war beängstigend.»
    «Ich war verärgert», sagte Leonard.
    «Du warst gewaltsam.»
    «Ach, komm.»
    «Doch, warst du», beharrte Madeleine. «Du hast mir Angst gemacht. Ich dachte, du würdest mich schlagen.»
    «Ich habe nur die Zeitschrift rausgeschmissen.»
    «Du hattest einen Wutanfall.»
    Sie redete weiter. Was sie sagte, hörte sich einstudiert an oder, wenn nicht einstudiert, wie mit Sätzen versehen, die nicht von ihr waren, Sätzen von wem auch immer, mit dem sie telefoniert hatte. Madeleine sprach von «verbalem Missbrauch» und davon, «die Geisel der Launen eines anderen» zu sein, und von «Autonomie in einer Beziehung».
    «Ich verstehe, wie frustriert du darüber bist, dass Dr.   Perlmann dich so hinhält», sagte sie. «Aber dafür bin nicht ich verantwortlich, und du kannst es nicht immer an mir auslassen. Meine Mutter meint, wir hätten einen unterschiedlichen Stil beim Streiten. In einer Beziehung ist es wichtig, dass man Regeln hat, wie man streitet. Was zulässig ist und was nicht. Aber wenn du so die Kontrolle verlierst   –»
    «Du hast darüber mit deiner Mutter geredet?», sagte Leonard. Er zeigte aufs Telefon. «Gerade eben?»
    Madeleine hob das Telefon von ihrem Schoß und stellte es zurück auf den Couchtisch. «Ich rede über vieles mit ihr.»
    «Aber in letzter Zeit meistens über mich.»
    «Manchmal.»
    «Und was sagt deine Mutter?»
    Madeleine senkte den Kopf. Als wollte sie sich selbst keine Zeit zum nochmaligen Nachdenken geben, sagte sie schnell: «Meine Mutter mag dich nicht.»
    Diese Worte trafen Leonard wie ein körperlicher Schlag. Es war nicht nur der Inhalt der Aussage, der war allerdings schon schlimm genug. Es war Madeleines Entscheidung, es auszusprechen. So etwas war nicht ungesagt zu machen. Es würde von nun an immer da sein, wenn Leonard und Phyllida in einem Raum waren. Es ließ auch erkennen, dass Madeleine vielleicht nicht erwartete, dies würde in Zukunft noch geschehen.
    «Wie meinst du das, deine Mutter mag mich nicht?»
    «Sie mag dich einfach nicht.»
    «
Was
an mir?»
    «Ich will nicht darüber sprechen. Und darum geht es jetzt auch nicht.»
    «Doch. Deine Mutter mag mich nicht? Sie hat mich ja nur einmal gesehen.»
    «Und es ist nicht sehr gut gelaufen.»
    «Als sie hier war? Was ist passiert?»
    «Na, erstens hast du ihr die Hand geschüttelt.»
    «Und?»
    «Meine Mutter ist altmodisch. Gewöhnlich schüttelt sie Männern nicht die Hand. Wenn doch, ist sie diejenige, die den Anstoß gibt.»
    «Tut mir leid. Ich hinke mit meinem Knigge ein bisschen hinterher.»
    «Und wie du angezogen warst. Die Shorts und das Bandana.»
    «Im Labor wird es heiß», protestierte Leonard.
    «Ich rechtfertige die Gefühle meiner Mutter ja nicht», sagte Madeleine. «Ich erkläre sie dir nur. Du hast keinen guten ersten Eindruck gemacht. Das ist alles.»
    Leonard sah ein, dass das stimmen mochte. Zugleich glaubte er nicht, sein Verstoß gegen die Etikette könnte zur Folge gehabt haben, dass Phyllida sich so endgültig gegen ihn wandte. Es gab aber

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