Die Liebeshandlung
haben sich miserabel gefühlt,
bevor
Sie aufhörten, Ihr Lithium zu nehmen. Und nun wollen Sie, dass ich Sie wieder auf die alte Dosis setze.»
«Dr. Perlmann, ich nehme jetzt seit fünf Monaten diese neue höhere Dosis. Und ich leide unter Nebenwirkungen, die schlimmer sind als alles, was ich je mitgemacht habe. Ichwill damit sagen, dass ich das Gefühl habe, langsam vergiftet zu werden.»
«Und ich sage als Ihr Psychiater, dass wir, wenn das der Fall wäre, Anhaltspunkte in Ihrem Blutbild sähen. Nichts, was Sie hinsichtlich Ihrer Nebenwirkungen beschrieben haben, fällt aus dem Rahmen. Ich hätte es gern gesehen, wenn die Nebenwirkungen deutlicher nachgelassen hätten, aber manchmal dauert es eben länger. Für Ihre Größe und Ihr Gewicht sind 1800 Milligramm nicht so viel. Ich bin ja bereit zu erwägen, Ihre Dosis irgendwann zu senken. Ich bin offen dafür. Es ist aber so, dass Sie ein relativ neuer Patient von mir sind. Diesen Umstand muss ich bei Ihrem Fall berücksichtigen.»
«Also habe ich mich, indem ich Sie aufsuchte, in der Schlange wieder hinten angestellt.»
«Falsche Metapher. Es gibt keine Schlange.»
«Dann eben nur eine verschlossene Tür. Nur Joseph K., der versucht, ins Schloss zu gelangen.»
«Leonard, ich bin kein Literaturkritiker. Ich bin Psychiater. Die Vergleiche überlasse ich Ihnen.»
Als Leonard dann mit dem Aufzug in die Eingangshalle der Klinik hinunterfuhr, fühlte er sich erschöpft vom Streiten und Bitten. Trotz des Risikos, kranken Kindern zu begegnen und noch deprimierter zu werden, ließ er sich auf einen Kaffee und eine Apfeltasche in der Cafeteria nieder. Er kaufte sich eine Zeitung und las sie von der ersten bis zur letzten Seite, womit er beinahe eine Stunde totschlug. Als er um fünf Uhr hinausging, um Madeleine zu treffen, waren die Straßenlaternen angegangen, denn das triste Licht des Novembertags erstarb. Wenige Minuten später tauchte der Saab aus der Dämmerung auf und schob sich an die Bordsteinkante.
«Wie ist es gelaufen?», fragte sie und lehnte sich zu einem Kuss hinüber.
Leonard schloss seinen Sicherheitsgurt und tat, als hätte er es nicht gemerkt. «Ich hatte
Therapie,
Madeleine», antwortete er kalt. «Eine Therapie ‹läuft› nicht.»
«Ich hab ja nur gefragt.»
«Nein, hast du nicht. Du willst einen Fortschrittsbericht. ‹Geht es dir besser, Leonard? Hörst du jetzt auf, ein Zombie zu sein, Leonard?›»
Es verging ein Augenblick, bis Madeleine das verkraftet hatte. «Ich verstehe, dass das bei dir so ankommen kann, aber so habe ich es nicht gemeint. Wirklich nicht.»
«Bring mich einfach aus dieser Stadt raus», sagte Leonard. «Ich hasse Boston. Ich habe Boston immer gehasst. Jedes Mal, wenn ich in Boston war, ist mir etwas Schlimmes zugestoßen.»
Eine Zeitlang sprach keiner von ihnen. Nachdem sie das Krankenhausgelände verlassen hatten, fuhr Madeleine am Charles River entlang auf den Storrow Drive. Das war nicht der schnellste Weg, aber Leonard hatte keine Lust, es ihr zu sagen.
«Soll ich mir denn keine Gedanken darüber machen, wie es dir geht?», fragte sie.
«Du darfst dir schon Gedanken darüber machen, wie es mir geht», entgegnete Leonard leiser.
«Also?»
«Perlmann will meine Dosis nicht senken. Wir warten immer noch darauf, dass sich das bei mir einpegelt.»
«Ich habe heute etwas Interessantes erfahren», sagte Madeleine fröhlich. «Ich war in einem Buchladen und habe so einen Artikel über manische Depression und die möglichen Heilmethoden gefunden, an denen gearbeitet wird.»Lächelnd wandte sie sich ihm zu. «Ich habe die Zeitschrift gekauft. Sie liegt hinten auf dem Sitz.»
Leonard machte keine Anstalten, danach zu greifen. «Heilmethoden», sagte er.
«Heilmethoden und neue Behandlungen. Ich habe noch nicht alles gelesen.»
Seufzend lehnte Leonard den Kopf zurück. «Sie verstehen bis jetzt noch nicht mal den
Mechanismus
der manischen Depression. Unsere Kenntnisse vom Gehirn sind verschwindend gering.»
«Das steht auch in dem Artikel», sagte Madeleine. «Aber allmählich verstehen sie viel mehr. Der Artikel ist über die neueste Forschung.»
«Hörst du mir überhaupt zu? Ohne die Ursache einer Krankheit zu kennen, ist es unmöglich, eine Heilmethode zu entwickeln.»
Madeleine kämpfte sich quer durch zwei dicht befahrene Spuren, um zur Highway-Auffahrt zu gelangen. In entschlossen fröhlichem Ton sagte sie: «Tut mir leid, Liebling, aber da du manisch-depressiv bist, heißt das, dass du eben auch
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