Die Liebeshandlung
Wohnung besichtigen.»
«Heute Abend?»
Madeleine nickte.
«Dein Vater und ich sind heute Abend zu einer Cocktailparty eingeladen.» Damit wollte Phyllida sagen, dass sie nicht bei Leonard bleiben konnten.
Der Muffin sprang hoch. «Aber, Mummy, diese Wohnung hört sich optimal an», bohrte Madeleine weiter. «Sie liegt am Riverside Drive. Mit Ausblick.»
«Tut mir leid, Liebes, aber der Termin für diese Party steht seit drei Monaten fest.»
«Kelly sagt, die Wohnung ist nicht lange auf dem Markt. Ich muss da heute hin.» Sie fühlte sich schlecht wegen ihrer Drängelei. Phyllida und Alton hatten sich in jeder Hinsicht großartig verhalten, hatten Leonard in seiner Not so geholfen, dass Madeleine sie nicht noch weiter belasten wollte. Andererseits, wenn sie keine Wohnung fand, konnten Leonard und sie nicht ausziehen.
«Vielleicht fährt Leonard ja mit», schlug Phyllida vor.
Madeleine angelte die größere Hälfte ihres Muffins aus dem Toaster und schwieg. Sie hatte Leonard erst in der Woche zuvor mit nach New York genommen, und es war nicht gut gelaufen. Im Gedränge in der Penn Station hatte er angefangen zu hyperventilieren, und sie hatten mit dem nächsten Zug nach Prettybrook zurückfahren müssen.
«Vielleicht fahre ich nicht hin», sagte sie schließlich.
«Du könntest Leonard erst mal fragen, ob er mitkommen möchte», sagte Phyllida.
«Das mache ich, wenn er auf ist.»
«Er
ist
auf. Schon eine ganze Weile. Er ist draußen auf der Veranda.»
Das wunderte Madeleine. Leonard schlief morgens immer lange. Sie erhob sich, nahm ihren Kaffee und ihr Muffin mit hinaus auf die sonnige Veranda.
Leonard saß weiter unten im Schatten auf dem Adirondack-Chair, wo er die meisten seiner Tage verbrachte. Er sah groß und zottig aus, wie ein Geschöpf von Maurice Sendak. Er trug ein schwarzes T-Shirt und ausgebeulte schwarze Shorts. Seine Füße, die in alten Basketballschuhen steckten, hatte er auf das Verandageländer gelegt. Rauchfahnen stiegen aus dem Bereich vor seinem Gesicht auf.
«Hi», sagte Madeleine, als sie neben seinen Stuhl trat.
Leonard krächzte einen Gruß und rauchte weiter.
«Wie geht’s dir?», fragte sie.
«Ich bin erschöpft. Konnte nicht schlafen, also habe ich gegen zwei eine Schlaftablette genommen. Dann bin ich um fünf wach geworden und nach draußen gegangen.»
«Hast du was gefrühstückt?»
Leonard hielt sein Päckchen Zigaretten hoch.
In einem benachbarten Garten sprang ein Rasenmäher an. Madeleine setzte sich auf die breite Armlehne. «Kelly hat angerufen», sagte sie. «Was hältst du davon, heute Abend mit nach New York zu fahren. So um halb fünf?»
«Keine gute Idee», sagte Leonard wieder mit seiner Krächzstimme.
«Sie hat eine Vierzimmerwohnung am Riverside Drive.»
«Fahr du hin.»
«Ich möchte, dass du mitkommst.»
«Keine gute Idee», wiederholte er.
Das Knattern des Rasenmähers kam näher. Kam bis heran an den Zaun, bevor es sich wieder entfernte.
«Mummy geht zu einer Cocktailparty», sagte Madeleine.
«Du kannst mich allein lassen, Madeleine.»
«Ich weiß.»
«Wenn ich mich umbringen wollte, könnte ich es nachts tun, wenn du schläfst. Ich könnte mich im Pool ertränken. Das hätte ich heute Morgen tun können.»
«Damit machst du es mir nicht leichter, in die Stadt zu fahren», sagte Madeleine.
«Hör zu, Mad. Ich fühle mich nicht besonders. Ich bin erschöpft, und meine Nerven liegen blank. Ich glaube nicht, dass ich noch eine Fahrt nach New York verkrafte. Aber hier auf der Veranda geht’s mir gut. Du kannst mich hierlassen.»
Madeleine kniff die Augen zusammen. «Wie sollen wir in New York leben, wenn du dir nicht mal eine Wohnung ansehen willst?»
«Das ist ein Paradox», sagte Leonard. Er drückte seine Zigarette aus, schnippte die Kippe in die Büsche und zündete sich eine neue an. «Ich passe auf mich selber auf, Madeleine. Das ist alles, was ich tun kann. Darin bin ich in letzter Zeit besser geworden. Und ich bin nicht bereit, mich in eine Subway mit einem Haufen glühend heißer, verschwitzter New Yorker zu zwängen –»
«Wir nehmen ein Taxi.»
«– oder bei der Hitze in einem heißen Taxi rumzufahren. Was ich
kann,
ist doch das: mich hier absolut gut um mich selbst kümmern. Ich brauche keinen Babysitter. Ich habe dir das immer wieder gesagt. Auch mein Arzt hat es dir gesagt.»
Sie wartete, bis er zu Ende geredet hatte, bevor sie das Gespräch wieder auf das anstehende Thema brachte. «Es ist nämlich so, dass wir
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