Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
Vom Netzwerk:
atemberaubend war. Jeder Millimeter Bewegung, hinein oder heraus, war an ihrer Scheidenwand zu spüren. Sie wollte ihn andauernd. Sie hatte nie viel über den Penis anderer Männer nachgedacht oder besonders davon Notiz genommen. Aber der von Leonard war etwas ganz Besonderes für sie, fast wie eine dritte Person im Bett. Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie ihn bedächtig in der Hand wog. Lief letzten Endes alles auf das Körperliche hinaus? War das die Liebe? Das Leben war so ungerecht. Madeleine taten alle Männer leid, die nicht Leonard waren.
    Alles in allem hätte die schnelle Verbesserung auf beinahe jeder Ebene ihrer Beziehung ausgereicht, um zu erklären, weshalb Madeleine Leonards plötzlichen Antrag im Dezember annahm. Aber den endgültigen Ausschlaggab ein Zusammentreffen mehrerer anderer Faktoren. Der erste war, wie sehr Leonard ihr bei ihren Uni-Bewerbungen geholfen hatte. Jetzt, wo Madeleine beschlossen hatte, sich nochmals zu bewerben, stand ihr auch die Zulassungsprüfung fürs Masterstudium noch einmal bevor. Leonard ermutigte sie dazu und half ihr in Mathe und Logik. Er las ihre wissenschaftliche Arbeitsprobe (den neuen Aufsatz, den sie der
Janeite Review
schicken wollte) und markierte Stellen, wo sie nicht überzeugend argumentierte. In der Nacht vor dem Abgabetermin für die Bewerbungen tippte er die Kurzbiographie und adressierte die Umschläge. Und am nächsten Tag, nachdem sie die Bewerbungen in der Post von Provincetown aufgegeben hatten, warf Leonard Madeleine aufs Bett, zog ihr die Hose herunter und begann es ihr trotz ihrer Proteste, sie müsse duschen, mit dem Mund zu machen. Sie versuchte sich frei zu strampeln, aber er hielt sie fest und sagte ihr so lange, wie toll sie schmecke, bis sie ihm schließlich glaubte. Sie entspannte sich in einer tiefgehenden Weise, die weniger sexuell als existenziell war. Es erwies sich letztlich doch als wahr: Leonard war gleich maximale Entspannung.
    Ein paar Tage später machte Leonard ihr den Heiratsantrag, und Madeleine sagte ja.
    Sie wartete ständig darauf, dass sie es bereute. Einen Monat lang erzählten sie niemandem davon. Über Weihnachten nahm Madeleine Leonard mit nach Prettybrook, auf die Gefahr hin, dass er bei ihren Eltern nicht gut ankam. Weihnachten war bei den Hannas immer eine große Sache. Sie hatten nicht weniger als drei Bäume, dekoriert nach verschiedenen Themen, und gaben eine Weihnachtsparty für hundertfünfzig Gäste. Leonard wurde mit diesen Festivitäten souverän fertig, plauderte mit Altons und Phyllidas Freunden, sang dieWeihnachtslieder mit und machte allseits einen guten Eindruck. An den folgenden Tagen erwies er sich als imstande, mit Alton Pokalspiele anzusehen und als Sohn eines Antiquitätenhändlers etwas Intelligentes über die Thomas-Fairland-Lithographien in der Bibliothek zu sagen. Am Tag nach Weihnachten schneite es, und Leonard war mit seiner leicht absurden Trapperfellmütze auf dem Kopf früh draußen und schippte Schnee auf den Wegen vor dem Haus und auf dem Bürgersteig. Immer wenn Phyllida Leonard beiseitenahm, wurde Madeleine nervös, aber nichts schien schiefzugehen. Dass er zehn Kilo leichter als im Oktober und untadelig gut aussehend war, konnte Phyllida nicht entgangen sein. Trotzdem hielt Madeleine den Besuch kurz, weil sie ihr Glück nicht überstrapazieren wollte; nach drei Tagen reisten sie ab und verbrachten Silvester in New York, bevor sie nach Pilgrim Lake zurückkehrten.
    Zwei Wochen später rief Madeleine ihre Eltern an, um ihnen die Nachricht von ihrer Verlobung beizubringen.
    Offensichtlich aus allen Wolken gefallen, wussten Alton und Phyllida nicht, wie sie reagieren sollten. Sie klangen zutiefst verwundert und beendeten das Gespräch schnell. Ein paar Tage danach begann die Briefkampagne. Getrennte handschriftliche Mitteilungen von Alton und Phyllida trafen ein, die in Zweifel zogen, dass es klug sei, sich so früh «festzulegen». Madeleine antwortete auf diese Botschaften, was zu weiteren Stellungnahmen führte. In ihrem zweiten Brief wurde Phyllida deutlicher und wiederholte ihre Warnungen, einen Manisch-Depressiven zu heiraten. Alton seinerseits wiederholte, was er in seinem ersten Brief geäußert hatte, und plädierte für einen Ehevertrag, um Madeleines «künftige Interessen» zu wahren. Darauf antwortete Madeleine nicht, und einige Tage später traf ein dritter Brief von Altonein, in dem er seine Position in einer weniger juristischen Sprache noch einmal anders formulierte.

Weitere Kostenlose Bücher