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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Kleidung und Gummistiefel anzuziehen. Er hatte einen Spankorb und zwei Gartenschaufeln dabei und führte sie an den Strand hinunter. Es war Ebbe, der freigelegte Meeresboden glitzerte im Mondlicht.
    «Wohin führst du mich?», sagte sie.
    «Das ist so eine Art Moses-Ding», sagte Leonard. «So eine Art Rotes-Meer-Ding.»
    Sie wanderten weit hinaus ins Watt; ihre Stiefel sanken ein. Es roch stark, fischig, feuchtkalt, halb verrottet – der Geruch des Urschlamms. Sie beugten die Gesichter tief über den Meeresboden, buddelten und schlitterten weiter. AlsMadeleine zur Küste zurückblickte, erschrak sie, wie weit draußen sie waren. In weniger als einer halben Stunde hatten sie den Spankorb gefüllt.
    «Seit wann weißt du, wie man Austern ausgräbt?», fragte Madeleine.
    «Ich hab das immer in Oregon gemacht», sagte Leonard. «Ein ausgezeichnetes Austernland, meine Heimat.»
    «Ich dachte, du hättest als Jugendlicher bloß immer Pot geraucht und in deinem Zimmer rumgesessen.»
    «Ein- oder zweimal bin ich auch in die Natur rausgekommen.»
    Nachdem sie den nunmehr schweren Spankorb an den Strand geschleppt hatten, verkündete Leonard seine Absicht, eine Austernparty zu feiern. Er klopfte bei Leuten an die Tür und lud sie zu ihnen ein, und bald stand er an der Küchenspüle, säuberte Austern und löste sie aus der Schale, während sich das Apartment füllte. Es machte nichts, dass er dabei ein Chaos anrichtete, die groben Holzdielen der Scheune hatten schon Schlimmeres gesehen. Den ganzen Abend kamen Teller mit Austern aus der Küche. Leute schlürften die glibbrigen, schimmernden Klumpen direkt aus der Schale und tranken Bier dazu. Gegen Mitternacht, als die Zahl der Gäste kleiner wurde, fing Leonard an, von so einem Indianercasino in Sagamore Beach zu reden. Habe jemand Lust zu spielen? Eine kleine Partie Blackjack? So spät sei es ja noch nicht. Es sei doch Freitagnacht! Eine kleine Truppe quetschte sich in Madeleines Saab, die Mädchen auf dem Schoß der Typen. Während Madeleine den Highway 6 entlangfuhr, drehte Leonard auf der Klappe des Handschuhfachs einen Joint und erklärte die Feinheiten des Kartenzählens. «Die Croupiers in einem Schuppen wie dem da benutzen wahrscheinlich ein einziges Päckchen Karten. Es ist leicht.» Die zwei Jungs, dieRechenkünstler waren, ließen sich für die mathematischen Details interessieren. Bis sie am Casino ankamen, waren sie ganz heiß darauf, es auszuprobieren, und steuerten verschiedene Spieltische an.
    Madeleine war noch nie in einem Casino gewesen. Sie war leicht entsetzt über das Publikum, weiße Männer mit Baseballkappen und Altersflecken und kräftige Frauen in Trainingsanzügen, die vor Spielautomaten Wurzeln geschlagen hatten. Kein amerikanischer Ureinwohner in Sicht. Madeleine folgte den beiden anderen Bettgenossinnen an die Bar, wo wenigstens die Drinks billig waren. Gegen drei Uhr morgens kamen die zwei Typen zurück und erzählten beide die gleiche Geschichte. Sie hatten ein paar hundert Dollar gewonnen, aber als der Croupier die Päckchen Karten auswechselte und so ihr Abzählsystem durcheinanderbrachte, wieder alles verloren. Leonard tauchte irgendwann danach auf und machte ein genauso verdrießliches Gesicht, bis er plötzlich lächelnd fünfzehnhundert Dollar aus der Tasche zog.
    Er behauptete, er hätte noch mehr gewinnen können, wenn der Croupier nicht argwöhnisch geworden wäre. Der Croupier rief den Spielleiter herüber, der Leonard einige weitere Male beim Gewinnen zusah, bevor er ihm empfahl, doch lieber zu gehen, solange er noch im Plus war. Leonard befolgte den Wink mit dem Zaunpfahl, aber die Nacht war für ihn noch nicht zu Ende. Draußen auf dem Parkplatz hatte er eine Idee. «Es ist jetzt zu spät, nach Pilgrim Lake zurückzufahren. Wir sind zu fertig. Kommt mit, wir haben das ganze Wochenende vor uns!» Bevor Madeleine wusste, wie ihr geschah, checkten sie in ein Hotel in Boston ein. Leonard bezahlte jedem Paar mit seinem Gewinn ein Doppelzimmer. Am nächsten Nachmittag trafen sie sich in derHotelbar wieder, und die Party wurde fortgesetzt. Sie aßen in Back Bay zu Abend, und danach ging’s von einer Bar in die andere. Leonard zog Schein um Schein aus seinem dünner werdenden Geldbündel, gab Trinkgelder, bezahlte Speisen und Getränke.
    Als Madeleine ihn fragte, ob er wisse, was er da tue, sagte Leonard: «Das ist Spielgeld. Wie oft werden wir so was in unserem Leben machen können? Ich sage: ‹Nichts wie ran.›»
    Das Wochenende war

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