Die Liebeslist
neugierig den Hals und stupste ihn an, sodass sie sich voneinander lösen mussten. Lange allerdings nicht. Hugh hob Petronilla auf die Fensterbank und setzte sich daneben, denn für den Fall, dass sie es sich noch anders überlegen sollte, hatte er noch nicht vorgesorgt. Den Arm um ihre Schulter gelegt, drehte er den Oberkörper und blickte sie an. „So, jetzt hör mir mal zu. Du machst Folgendes: Du begleitest mich nach Hereford. Da bleibst du ein, zwei Tage in meinem Haus und lernst meine Söhne und deren Familien kennen. Danach begleite ich dich nach Lower Broadheath, und da kannst du dann deine Entscheidung treffen. Entweder bleibst du dort auf deinem Alterssitz, dann wirst du bald merken, wie dir die Einsamkeit zusetzt. Oder du kommst zurück auf mein Angebot.“ Dabei hoffte er stumm, sie werde sich so entscheiden, wie er es sich ersehnte.
In ihren Augen funkelte es verheißungsvoll. „Soll das heißen, lieber Hugh, du bietest mir eine Zuflucht vor den Beschwerlichkeiten der späten Jahre?“ Dabei lächelte sie so entzückend, so vertrauensvoll, dass er nicht lange fackelte.
„Ich biete dir mein Herz und meine Liebe, dazu ein Stadthaus in Hereford, das deinem Geschmack sicher eher entspricht als dieser Kasten hier.“
„Ein Stadthaus in Hereford habe ich mir schon immer gewünscht.“ Noch immer lächelnd und mit einem feuchten Schimmer in den Augen, seufzte sie, als wäre ihr gerade eine Riesenlast von der Seele gefallen. „Wärst du denn vielleicht bereit, im Gegenzug mein Herz zu nehmen?“
„Jawohl“, erwiderte er prompt und lachte herzlich. „Doch wenn ich das soll, dann musst du mich heiraten. Auch wenn ich nichts weiter bin als ein simpler Markgraf.“ So, nun war es heraus. Zu seiner großen Freude.
Sie sah ihn lange an, ehe sie ihren Standpunkt darlegte. „Eigentlich hatte ich ja gelobt, nie wieder zu heiraten.“ Zu seiner großen Freude führte sie seine Finger an ihre Lippen. „Aber ich habe mich entschlossen, dieses Gelöbnis zu brechen. Ja, liebster Hugh. Ich habe festgestellt, dass Markgrafen gar nicht so ohne sind. Ich will deine Frau werden.“
So saßen sie noch eine Weile Händchen haltend und selbstzufrieden zusammen, während um sie herum die Staubteilchen im Sonnenlicht tanzten.
„Was Rosamund wohl dazu meint?“, fragte Petronilla schließlich. Allerdings klang es nicht so, als ob es sie sonderlich kümmere.
„Die ist bis über beide Ohren verliebt. Die merkt gar nicht, was du tust. Sie wird auch nichts dagegen haben. Gefällt dir mein Plan?“
„Ja.“
Die schlichteste und beste aller möglichen Antworten. Hugh versuchte erst gar nicht, seinen Triumph zu verhehlen, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Kann ich sonst noch etwas für dein Seelenheil tun, Herzliebste? Könntest du in einer Stunde reisefertig sein?“
„Aber gewiss doch. Ach, eins noch, Hugh …“
„Ja?“
„Küss mich noch einmal.“
EPILOG
Hugh und Petronilla waren fort, doch immer noch herrschte im Burghof geschäftiges Treiben. Bedienstete beluden die Packwagen mit Waffen und Ausrüstung, Pferde wurden angeschirrt – ein Bild, wie Rosamund es viele Male gesehen hatte.
Nein!
Auf einmal traf es Rosamund wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Fitz Osberns Mannen rückten ab! Er verlässt dich! Nicht einmal eine Stunde nach seiner Liebeserklärung! Nachdem er dir befohlen hat, seine Frau zu werden!
Ja, er verließ sie!
Äußerlich ganz ruhig, innerlich aber verzweifelt bemüht, einen klaren Gedanken zu fassen, betrachtete sie das geordnete Durcheinander ringsum. Es war, als habe sie sich von der Wirklichkeit verabschiedet, als könne nichts die Trauer durchdringen, die sie auf einmal fühlte.
Dabei hatte er doch gesagt, er liebe sie! Er werde sie heiraten! Sie hatte keinen Grund zur Annahme gehabt, daran zu zweifeln. Doch jetzt war es offensichtlich, dass er sich von Clifford verabschiedete. Und das sollte ihre Zukunft sein? Hatte sie in ihrer Einfalt geglaubt, er werde bei ihr bleiben, immer an ihrer Seite, aus lauter Liebe? Dass sie mit ihm zusammenleben, gemeinsam mit ihm die Grenzmarken regieren, mit ihm reisen würde? So wie die Königin mit ihrem Gemahl? Vielleicht betrachtete Gervase ja die Liebe vor allem als etwas Nützliches, Brauchbares! Genau, das war es! Während er in Monmouth oder Anjou oder sonst wo unterwegs war, sollte sie Clifford an seiner statt lenken!
In diesem Augenblick war ihr die Burg regelrecht verhasst.
Das hatte er sich ja fein
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