Die Liebeslist
wohl ihre Schritte gehört oder sie einfach auch nur geahnt haben, denn er wandte sich gespannt um – der Liebhaber, der seine Liebste ganz in der Nähe spürt.
Als er auf sie zutrat, die Züge sanft, der sonst so prüfende Blick voller Wärme, da schlug ihr das Herz gleich schneller. Würde er seine Liebeserklärung wohl wiederholen? Oder würde er eher mit allerlei Ausflüchten zu begründen versuchen, warum er seiner Lust in der letzten Nacht nachgegeben hatte? Schließlich hatte sie selbst sich doch genauso danach gesehnt! Gleich, wie dieses Treffen ausging: Falls er sie nicht wollte, würde sie nicht in Selbstmitleid zerfließen. Auch wenn sie niemals heiraten sollte, hatte sie immerhin erfahren, wie es war, mit einem Mann das Bett zu teilen. Mochte seine Entscheidung so oder so ausfallen – ihr Stolz würde ihr Stärke verleihen. Dennoch wurde ihr angst und bange, als er vor ihr stehen blieb.
Sie konnte nicht anders, als ehrlich zu ihm zu sein. „Ich habe dich vermisst. Warum wolltest du dich denn hier mit mir treffen?“
Mit der ihm eigenen Ungeduld, die sie inzwischen an ihm kannte, ergriff er ihre Hand und führte sie an seine Lippen. „Damit ich nicht in Versuchung gerate, dir gleich die feinen Kleider von deinem entzückenden Leib zu reißen und dich auf der Stelle wieder ins Bett zu zerren“, erwiderte er völlig ernst. „Hörst du mir bitte zu, Rose?“
Sie nahm sich vor, ihm in aller Ruhe zuzhören, ganz gleich, was er ihr glaubte gestehen zu müssen. Gegen die roh behauene Holzbrüstung gelehnt, blickte sie ihn gespannt an, die Finger mit den seinen verflochten.
„Ich habe mich dir gegenüber nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit verhalten, und dafür schäme ich mich. Es lag an Matilda, die … Nein, stimmt nicht. Es lag an mir selbst.“ Seine Miene wurde bitter; es fiel ihm sichtlich schwer, aufrichtig zu sein. „Dauernd hatte ich sie hier vor Augen – meine junge Braut, vollauf glücklich und zufrieden mit ihrer Partie. Dann wurde sie umgebracht, und ausgerechnet du, eine de Longspey, du solltest hier ihre Stelle als Burgherrin antreten. Ich wollte dich hier nicht; einen Eindringling, der in Matildas Fußstapfen trat, obwohl deine eigene Familie die Verantwortung trug für … und ich mich zu dir hingezogen fühlte. Es war eine unmögliche Situation.“
„Ach Gervase“, murmelte sie, zutiefst betroffen von dem Schmerz in seiner Stimme. „Ich wusste ja nicht, dass du mich so sahst.“ Nach seinem Geständnis vor dem König hatte sie es allerdings geahnt. Sein Verlust erfüllte sie mit tiefer Trauer. „Aber eine richtige de Longspey war ich ja nie …“
„Eben. Umso schlimmer, dass ich das nicht berücksichtigt habe. Für mich machte das damals leider kaum einen Unterschied.“ Er lächelte düster. „Ich war zwar sehr entschlossen, mir Clifford zurückzuholen, aber vermutlich nicht sonderlich folgerichtig in meinem Vorgehen.“
Rosamund nahm all ihren Mut zusammen. Jetzt musste sie die ganze Wahrheit erfahren. „Hast du sie geliebt? Matilda? War dir meine Anwesenheit deshalb so zuwider?“
„Geliebt nicht.“ Er verstärkte den Griff um ihre Finger; offenbar fiel es ihm schwer, diese Worte auszusprechen. „Es war eine Zweckehe. Von meinem Vater in die Wege geleitet. Eine Verbindung zweier bedeutender Geschlechter aus derselben Gegend. Und wir waren noch blutjung. Nein, von Liebe konnte da keine Rede sein. Ob sie hingegen mich liebte … Ich glaube, sie hat mich eher als Heldengestalt betrachtet. Und ausgerechnet ich war nicht da, um sie zu retten …“
„Sag doch so etwas nicht!“ Diesmal führte Rosamund seine Hand tröstend an ihre Lippen. „Ich hatte immer das Gefühl, du hast sie sehr wohl geliebt!“
„Nein, eher litt ich unter erheblichen Gewissensbissen. Ich habe mir immer vorgeworfen, ich hätte ihren Tod nicht verhindert, weil ich im Namen meines Vaters in Monmouth weilte.“
„Aber dafür konntest du doch nichts …“
„Ja, schon richtig. Doch als ich dich hier traf, da war ich … von dir hingerissen. Vom ersten Augenblick an. Seit jenem ersten Tag, als du mir im Burghof mein Recht streitig machtest. Es gefiel mir überhaupt nicht, dass du in mir solch unerwünschte Gefühle wachriefst. Ich konnte doch schon Matilda nicht lieben; wie sollte ich da eine de Longspey lieben können? Ich hatte mir fest vorgenommen, mich auf solche Empfindungen gar nicht erst einzulassen. Aber vor allem plagte mich mein schlechtes Gewissen, nämlich weil ich für
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