Die Liebeslist
Mein damaliger Gegner hat erheblich mehr abgekriegt.“
„Ach so …“
„Ich kann manchmal verdammt böse werden.“ Gehässig schaute er über den Becherrand. „Ich habe ihn umgebracht. Sonst noch etwas?“ Als sie ob dieser brutalen Auskunft kopfschüttelnd den Blick senkte, bemerkte sie noch, wie er verächtlich die Lippen verzog. „Hat auch zu spät kapiert, dass es unklug ist, sich mit mir anzulegen. Jetzt ist er tot, der Arme.“
Rosamund wusste keine Entgegnung darauf.
Von diesem Moment an widmete Fitz Osbern sich ausschließlich seinem Abendbrot. In Abwesenheit von de Mortimer redete er auch kaum ein Wort, sondern bediente sich mit Genuss, sowohl bei den Speisen als auch beim Bier. Zu einem Gespräch war er nicht zu bewegen. Auf jeglichen Versuch von Lady Petronilla, eine Unterhaltung zu beginnen, wurde bestenfalls einsilbig reagiert, überwiegend mit schmatzenden Grunzlauten bei vollem Mund. Rosamund, deren Abscheu immer stärker wurde, ließ es lieber gleich bleiben. Kaum war er mit dem Essen fertig, nickte er den Damen nur steif zu und stand ohne weitere Umschweife auf.
„Bleibt lieber nicht hier.“ Seine Anweisung war barsch und unverblümt. „Es sei denn, Ihr wollt meinen Männern beim Zechen und Erzählen von schlüpfrigen Witzen Gesellschaft leisten. Würde ich aber nicht raten.“
Er leerte den Becher in einem Zug und ging seiner Wege.
„Und?“, fragte Rosamund ihre Mutter, wobei sie mit dem Elfenbeinkamm auf die leinene Bettdecke klopfte. Es war spät. Um sie herum wurde es still im Kastell; zu hören war nur das Gegröle der Soldaten in der Halle unter ihnen. Bei einem besonders lauten Gejohle hielt sich Rosamund die Ohren zu.
„Was und, Liebes?“ Lady Petronilla saß bequem und schläfrig beim Kaminfeuer.
„Na, der selbsternannte Herr von Clifford. Anscheinend sind Benimm und Stil noch nicht bis in die walisischen Marken vorgedrungen. Jedenfalls war ich nicht beeindruckt. Wenn das sein feinstes Tuch war, will ich mir lieber nicht vorstellen, was er sonst noch auf seinen Gepäckwagen hatte.“ Schon geraume Zeit sann Rosamund über den Mann nach, der auf ihrer Burg und auch in ihrem Leben das letzte Wort haben sollte.
Petronilla musste ihr recht geben. „Galant war er nicht, das stimmt. Vielleicht ist er ja zu beschäftigt, um gute Manieren zu pflegen. Dein Vater konnte genauso ungehobelt sein, wenn ihn irgendwas umtrieb. Was überwiegend der Fall war.“
„Da kann ich nicht mitreden.“ Nicht sonderlich interessiert an den mangelnden Umgangsformen von John de Bredwardine, ließ Rosamund mit finsterer Miene das Abendbrot Revue passieren. Sie öffnete ihr Haar und begann sich zu kämmen. „Meiner Ansicht nach ist Fitz Osbern nicht besser als ein Wilder. Kein gepflegtes Äußeres, ein Vokabular wie ein Stallbursche und dann sein Betragen bei Tisch! Im Felde mag er ja machen, was er will, aber er hat sich den Mund am Ärmel abgewischt! Und sogar einen Mord zugegeben!“
Petronilla machte ein nachdenkliches Gesicht und bettete den Kopf in ihr Kissen. „Er war sehr schweigsam, stimmt. Da fehlt ein wenig der Schliff.“
„Und wie er das Abendessen hinuntergeschlungen hat, als wäre er kurz vorm Verhungern gewesen.“
„Allerdings.“
„Und trinkt ein Bier nach dem anderen! Wie der es überhaupt aufrecht aus dem Saal geschafft hat, ist mir schleierhaft.“
Petronilla seufzte. Das ließ sich alles nicht abstreiten. „Aber ich glaube, er meint es gut. Wir müssen ihm dankbar sein für die Verbesserungen hier im Quartier.“ Sie streckte die Zehen näher ans Feuer.
„Aber doch nur, weil er die Burg ganz für sich will!“, rief Rosamund. „Da liegen solche Ausbesserungsarbeiten in seinem Interesse. Lass dich von ihm nicht täuschen, Mutter. Mit uns meint der es keineswegs gut.“ Sie zog den Kamm durchs lange Haar, spürte, wie es knisterte unter der Reibung und der warmen Luft. Die seidigen Strähnen in der Hand haltend, grübelte sie über ihre Situation nach, aus der es offenbar keinen Ausweg gab. Irgendetwas ging da nicht mit rechten Dingen zu. Wozu hatte Earl William in Salisbury eine Allianz mit so einem Hinterwäldler wie Fitz Osbern anstreben sollen? Das augenfällige Bildnis des Wilden Falken aus ihrer Erinnerung tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Die Erinnerung an ihn löste schon wieder jenes Kribbeln in ihrem Leib aus. So wie am Tage zuvor auf seinem Pferd, beim Ritt zurück zur Burg, als er sie dazu gezwungen hatte, sich in seine Arme zu schmiegen, an
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