Die Liebeslist
seinen warmen, starken Körper. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, und schon konnte sie fast die festen Konturen seiner Brust fühlen, den Druck seiner Schenkel, den warmen Atem an ihrem Nacken, die Arme, mit denen er sie umfasste und festhielt. Und dann hatte er die Unverschämtheit besessen, sie zu küssen. Noch jetzt überlief sie eine Gänsehaut bei dem Gedanken an seinen heißen Mund auf ihrem Handgelenk, auf ihren Lippen bei diesem überraschenden Kuss. Das dunkle Haar, der verführerische Klang seiner Stimme … Soll nicht wieder vorkommen, dass ich Euch wehtue …
Sie riss sich aus ihrer Erstarrung. Wie konnte man einem solchen respektlosen Verhalten überhaupt etwas Angenehmes abgewinnen, und sei es auch nur in der Erinnerung? Seine Entschuldigung – die sie ihm zudem noch fast aus der Nase ziehen musste – hatte sich im Handumdrehen in deutliche Drohungen verwandelt. Sie musste sehr aufpassen, sonst vergaß sie am Ende noch ihre Rachepläne! Vielleicht ließ sich sein Sinneswandel ja auch ganz leicht erklären. Solche Söldner wie er, die waren angewiesen auf Geld, das sie für ihre zweifelhaften Dienste erhielten. Fitz Osberns Stern war deutlich im Sinken begriffen. Er hatte keinen Geldgeber mehr, keinen, der ihm feine Kleidung spendierte, unter der er seine derbe Art verbergen konnte.
Und das Gerede, Clifford sei seinen Ahnen von Wilhelm dem Eroberer höchstselbst zum Lehen gegeben worden! Ammenmärchen! Erstunken und erlogen, die reine Unwahrheit! Kein Zweifel, ihr war durch seine damalige Abweisung ein grausames Schicksal erspart geblieben. Was wäre das für eine Ehe, wäre man an so einen Gatten gefesselt? Vermutlich genauso schlimm – wenn nicht noch schlimmer – wie die Ehe ihrer Mutter mit John de Bredwardine.
Rosamund begann, sich das Haar für die Nacht zu flechten. Gervase – eigentlich ein schöner Name, nur passte der Namensträger nicht dazu. Eines aber war ganz sicher: Mit diesem Gervase Fitz Osbern war nicht zu spaßen. Es konnte sich als fatal erweisen, wenn man ihn unterschätzte. Falls er sich aber einbildete, er könne sie aus der Burg hinausekeln, irrte er sich gewaltig. Sie jedenfalls würde weder ausziehen noch sich von dem neu ersonnen Plan abbringen lassen. Bei diesem Gedanken verzog sie die Lippen zu einem verschwörerischen Lächeln.
Sie beendete ihre Grübeleien, schlug die Bettdecke zurück und wandte sich ein letztes Mal an ihre Mutter. „Er hat uns zwar angemessene Behandlung zugesichert, doch erwarten dürfen wir von Fitz Osbern nur eins: herzlose Gleichgültigkeit und Kaltschnäuzigkeit. Denk an meine Worte. Der wird keine Gelegenheit auslassen, mich aus der Burg zu vergraulen. Aber ich weiche nicht, da kann er mir noch so drohen.“
Ich traue mich nicht! Denn wenn ich es wage – was bleibt mir da noch vom Leben? Ehe sie es verhindern konnte, hatte sich dieser lästige Gedanke bereits in ihrem Kopf festgesetzt.
Im Westturm begab sich derweil ein mit sich selbst zufriedener Gervase zur Nachtruhe. Genüsslich reckte er sich und legte die Kleidung ab, durchaus angetan von dem Eindruck, den er bei Rosamund de Longspey hinterlassen hatte. Sie sah in ihm tatsächlich den ungehobelten Banausen, als den sie ihn bereits hingestellt hatte. Leise in sich hineinlachend, sodass der beim Feuer ausgestreckte Hund verblüfft den Kopf hob, schälte er sich aus seiner groben Feldzugsmontur.
„Na, was meinst du, Bryn?“, fragte Gervase. „Ich glaube, sie traut mir alle möglichen Schandtaten zu, hält mich für einen flegelhaften Klotz der übelsten Sorte. Wie ich das hingekriegt habe, mir so oft den Humpen vollzukippen und doch so wenig zu bechern, ist mir selbst ein Rätsel. Ja, ich habe sogar behauptet, dass ich gegenüber Rivalen zu übermäßiger Gewaltanwendung neige.“ Er ließ sich mit einem Becher Ale am Kamin nieder. „Ganz schön anstrengend, so ein Raubritter zu sein. Dauernd muss man daran denken, dass man finster dreinblickt und unmanierlich auftritt.“
Der Hund ließ den Kopf wieder auf die Pforten sinken, gab ein leises Winseln von sich und schloss die Augen.
„Na, wenn du derselben Ansicht bist, ist es ja gut. Offenbar bin ich ihr in jeder Hinsicht zuwider, da hält sie es unter meiner Oberhoheit sicher nicht lange aus. Sie ist eben eine Longspey – eingebildet und voller Dünkel.“ Er stupste den dösenden Bryn mit der Zehenspitze an. „Obwohl ich eins zugeben muss: War ganz schön verlockend, ihre hübschen, zarten Finger zu küssen. Und die
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