Die Liebeslist
augenscheinlichem Unmut und machte es sich sodann in der Ecke eines Sessels bequem, ohne sich groß um die neuen Burgbewohner zu scheren. Mit grünen Augen, die denen von Rosamund glichen, starrte die Katze die neue Herrin unverwandt an.
„Kein schönes Tier“, meinte Petronilla.
„Nein.“ Rosamund lachte. „Aber immerhin: Auch wenn wir Eleanors Quartier sicher nicht nachahmen können, brauchen wir zumindest keine Angst vor einer Mäuseplage zu haben.“
Spontan umarmte sie ihre Mutter freudig. Im Ganzen betrachtet hatte sie nichts zu befürchten: Fitz Osbern hielt sich von ihr fern. Jawohl, diese Burg sollte ihr Zuhause werden; da ließ sie sich von nichts und schon gar nicht von diesem ungehobelten Ritter aufhalten.
5. KAPITEL
Kaum war de Mortimer von dannen geritten, da trafen endlich die zu Fitz Osbern gehörenden Packwagen auf der Burg ein. Sie wurden unverzüglich entladen, Kisten und Bündel in erheblicher Zahl in den Westturm geschleppt, in dem Gervase sich inzwischen eingerichtet hatte. Na, immerhin hat er jetzt sein Gepäck!, dachte Rosamund. Wenn auch nicht offen ausgesprochen, so war es doch ganz natürlich, dass die beiden Longspey-Ladys irgendwann einmal einen ordentlich ausstaffierten Lord auf Clifford zu erleben wünschten, einen, der seiner neuen Position als Hausherr entsprechend gekleidet war und nicht herumlief wie ein schlecht besoldeter Legionär. Da er ja nun nicht mehr wie ein Soldat im Felde kampierte, blieb ihm auch keine Entschuldigung für sein schludriges Erscheinungsbild. Insgeheim war Rosamund schon ganz gespannt auf das Ergebnis. Vielleicht sah sie dann ja nicht mehr den räuberischen Burgendieb in ihm, sondern jenen Mann von damals, der sich Earl William entgegengestellt und das Angebot, in die Familie einzuheiraten, rundheraus abgelehnt hatte.
Beim Abendbrot indes, das aus einem Napf würzloser Suppe bestand, erhielt sie den ersten Dämpfer. Gerade führte sie den Löffel an die Lippen, da erstarrte sie mitten in der Bewegung, denn Fitz Osbern durchquerte den Rittersaal.
„Guten Abend, Lady Rosamund!“, grüßte er und betrat gemächlich das Podium. Vorübergehend schien es, als werde er sowohl Rosamund als auch die Witwe des Earl mit einer Verbeugung beglücken, doch da hatten sie sich wohl getäuscht. Brüsk wandte er sich ab, angelte sich einen Schemel, ließ sich darauf nieder und griff, die Beine lang von sich gestreckt, sofort nach dem Bierkrug. Dabei schenkte er sich so unbeholfen ein, dass sich die Flüssigkeit über den Becherrand ergoss. Das Trinkgefäß erhoben, maß er Rosamund mit forderndem Blick, als verlange er eine Antwort.
„Seid gegrüßt, Mylord.“ Sie quälte sich ein gezwungenes Lächeln ab. Obwohl sein Gepäck ja inzwischen angekommen war, lief er auch weiterhin herum wie ein verlotterter Wegelagerer. Das immer noch ungepflegte und ungestutzte Haar fiel ihm in die Stirn, die Wangen zierte wie eh und je ein Stoppelbart. Zugegeben, umgezogen hatte er sich zwar, doch seine Kleidung machte keinen besseren Eindruck als die seiner Männer, eher sogar noch schlimmer. Das schlichte Wams, abgetragen und stellenweise fadenscheinig, erinnerte nach wie vor an den Soldaten; die groben Beinkleider wiesen immer noch Spuren von getrocknetem Schlamm auf. Betrachtete man die Stiefel genauer, so musste man annehmen, dass er geradewegs aus dem Pferdestall zu Tisch kam. Keinerlei Schmuck, keinerlei Zierrat … Insgesamt, so Rosmund nach dieser raschen Musterung, wirkte er so, als habe er kaum einen Penny in der Tasche. Zu ihrem Entsetzen aber merkte sie, wie es ihr bei dem faszinierenden Blick dieser grauen Augen den Magen zusammenzog, wie es in ihrem Bauch kribbelte, als flatterten Schmetterlinge darin herum. Schlagartig tauchte eine Erinnerung in ihr auf: das Bild jenes strengen Mundes, wie er sich auf die weiche Haut ihres Handgelenks legte, ja sogar auf ihre Lippen.
„Ist Euch nicht gut?“, fragte er, weil sie ihn immer noch wie gebannt anstarrte.
Sie konnte ihm ja schlecht gestehen, dass sie ihm merkwürdigerweise am liebsten mit dem Finger über die Wange gefahren wäre, über das Stoppelkinn, die geschwungenen Lippen. Daher überlegte sie sich rasch eine unverfängliche Begründung für ihre Zerstreutheit und sagte das Erstbeste, das ihr in den Sinn kam. „Mir ist aufgefallen, dass Ihr das Bein etwas nachzieht, Mylord.“
„Eine verheilende Kampfverletzung“, erklärte Fitz Osbern, wobei er schon wieder nach dem Alehumpen griff. „Nichts Bleibendes.
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