Die Liebeslist
gut auf sie auf. Ihr haftet mir für Ihr Leben.“
Der Burgwehrführer verbeugte sich, vernünftig genug, sich jedes Mienenspiel zu verkneifen. Gervase maß ihn noch eine Weile streng, damit de Byton auch begriff, wie ernst es ihm war. Mit einem kurzen Nicken ging er dann hinaus auf den Burghof, wo sein aufgeregt tänzelnder Hengst bereits wartete, mit Mühe nur gehalten von Owen. Nun gab es für Fitz Osbern nichts mehr zu tun. Alle Vorkehrungen für Rosamunds Sicherheit waren getroffen. Noch einmal blickte er hinüber zu den Unterkünften des Gesindes. Ob wohl einige der Mägde auf der Treppe standen, um ihm bei der Abreise zuzusehen? Nein, vergebens. Quietschend und knarrend öffnete sich das Tor. Für weiteres Säumen gab es keinen Grund. Mit einem letzten Blick auf das, was er in den Wochen zuvor geschafft hatte, ritt Fitz Osbern zum Hof hinaus und über die Zugbrücke. In Reih und Glied schlossen sich seine Männer an. Auf der Landstraße wandte die Kolonne sich in Richtung Monmouth.
Wie im Einklang mit seiner gereizten Stimmung prasselte der Regen ihm wuchtig auf Kappe und Schultern. Sein Magen rumorte vom Schmerz der Niederlage, und daher atmete Gervase tief durch, um den Stich etwas abzumildern. Da das nichts half, versank er wieder in die gleichen Selbstvorwürfe wie in der langen, schlaflosen Nacht zuvor.
Sei froh, dass sie dich heute Morgen nicht zur Rede gestellt hat! Was hättest du ihr nach dem gestrigen Abend denn entgegnen sollen? Erst raubst du ihr die Unschuld, und dann verabschiedest du dich. Das kann sie doch nur als Zurückweisung deuten! Was bist du bloß für ein Mann, sie so im Stich zu lassen!
Ja, aber was blieb mir denn anderes übrig?, grübelte er düster. Aber die gegebene Situation erlaubte ihm nichts anderes, als fortzugehen! Welche Möglichkeiten hatte er denn schon? Der König ließ ihm ja keine Wahl: Clifford war zu räumen, so der Befehl. Und deshalb trottete er jetzt hier die Straße entlang, durchnässt bis auf die Knochen – alles auf königliches Geheiß. Henry hatte gut reden, aber eine Frau zur Ehe zu zwingen, das war nicht nach Gervases Geschmack. Nimm sie im Sturm, so lautete Henrys Rat. Lass sie gar nicht erst zur Besinnung kommen. Gervase war überzeugt davon, dass das keine gute Idee war. Wenn er auf so brachiale Weise Rosamund gegenübertreten würde, fing er sich höchstens einen Kinnhaken ein, mochte sie ihm vorher auch die Unschuld geschenkt haben. Grüblerisch kratzte er sich das Kinn. Einmal hatte sie seinen Antrag abgelehnt. Eigentlich hätte er sie gestern Abend ein zweites Mal fragen sollen, nur hatte sich die Gelegenheit nicht ergeben. Aber vermutlich hätte sie ihm sowieso wieder eine Abfuhr erteilt.
Allmählich schälte sich nun aus all den bitteren Selbstvorwürfen eine Idee heraus, die langsam Gestalt annahm. Vielleicht verbarg sich ja in diesem hinterhältigen, von Henry angeordneten Ränkespiel doch eine Möglichkeit, das zu erreichen, was er wollte. War er, Fitz Osbern, nicht als erfahrener Stratege bekannt? Warum also nicht eine Taktik entwerfen, mit der er Rosamund de Longspeys Liebe gewinnen konnte?
War sie denn das, was er wollte?
O ja! Da gab es überhaupt keinen Zweifel. Rosamund mit Gewalt in die Ehe zu zwingen, das schied ohnehin aus. Ja, könnte er sie überreden, ihm die Tore zu öffnen, ihn mit offenen Armen zu empfangen wie letzte Nacht beim Kaminfeuer, als ihre Haut so seidig schimmerte! Ja, wenn sie ihn wieder in ihr Bett bitten würde, diesmal aber mit Liebesworten statt mit Vorwürfen! So bildhaft deutlich erinnerte er sich an ihre Umarmung, an ihre weichen, hingebungsvollen Lippen, dass sich in seinen Lenden unmissverständlich etwas regte.
Ein Taubenpaar flog mit klatschendem Flügelschlag über ihn hinweg, sodass sein Pferd scheute und seitlich ausbrach. Schlagartig war das verlockende Bild dahin; heftig zog Gervase an den regendurchweichten Lederzügeln. Schluss mit den Grübeleien, denn eine Menge Aufgaben lagen vor ihm. Zuerst heim nach Monmouth, wo er sich einiges besorgen musste, das für die erfolgreiche Ausführung seines Plans unerlässlich war. Er wusste ganz genau, was er brauchte. Insofern waren die schlaflosen Nachtstunden doch nicht ganz umsonst gewesen. Und dann? Dann galt es, den Stein ins Rollen zu bringen und am Ende als Sieger aus der Schlacht hervorzugehen. Ein Fitz Osbern, der ließ sich doch nicht von einer Frau übertrumpfen! Erst recht nicht von einer, die ihm gerade einmal bis zu den Schultern
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