Die Liebeslist
wer war da die Flamme und wer die Motte? Die Flügel hatte er sich jedenfalls ziemlich versengt. Ein merkwürdiges Verhalten für zwei solche Sturköpfe! Über die Folgen bin ich mir im Klaren, so hatte sie gesagt. Ihre Augen hatten ihm verraten, dass sie erfahren wollte, wie es wohl sein würde, mit ihm das Bett zu teilen. Entweder wir leugnen das, was zwischen uns ist, oder wir beweisen, dass es existiert .Wie hätte er sich da verleugnen können? Er hatte es sich ja genauso wie sie gewünscht! Auch jenes unerklärliche Band, das sie wie mit starken Kettengliedern aneinanderfesselte, dessen Vorhandensein ließ sich ebenso wenig abstreiten.
Nun aber … Nichts war gelöst. Er musste sie verlassen, wie Henry es verlangte, und er verfluchte sich heftig für seine Unbeherrschtheit. Was war er für ein Narr gewesen! Hätte er doch bloß der Versuchung standgehalten! Der Verlockung, ihre weichen Lippen zu kosten! Als sie ihn trotz ihrer Ängste mit offenen Armen empfing, da war alle Willenskraft vergebens gewesen. Da war es um ihn geschehen. Kein Gedanke mehr an Rückzug! Nein, da musste er sie besitzen.
Wieso sollte er das jetzt bedauern? Bis zum Ende seiner Tage würde er sich an das Geschenk erinnern, das sie ihm gemacht hatte. Ihre zarte Haut, die so geschimmert hatte unter seinen sonnengebräunten Händen! Die verführerischen Rundungen, die ihn so unwiderstehlich lockten, üppig und geschmeidig zugleich, fest wie die feinste Seide, weich wie ein Spinnennetz. Sie hatte ihm jeden Wunsch erfüllt; rückhaltlos hatte sie sich ihm anvertraut und ihm jene Geheimnisse enthüllt, die sie zuvor keinem Manne zu sehen erlaubt hatte.
Mitten im Falten des Mantels, den er gerade für den folgenden Tag auf dem Truhendeckel zusammenlegte, hielt er inne. Mit keinem Wort hatte sie angedeutet, dass sie möglicherweise tiefere Gefühle für ihn hegte, dass sie ihn mochte. Von Liebe war erst recht nicht die Rede gewesen. Und er selbst? Wie hätte er ihr denn sagen können, dass er sie liebte? Er hatte doch immer noch vor, ihr die Burg, die sie inzwischen unanfechtbar als ihr Eigentum betrachtete, zu entreißen. Ja, er sollte sogar, weil Henry es ausdrücklich so wollte, mit einer bewaffneten Streitmacht zurückkehren!
Er verzog den Mund. Nächstes Mal wird es besser. Gedankenloses Gerede. Wie hatte er ihr nur einen solchen Unfug versprechen können?
Ein nächstes Mal wird es nicht geben …
Waren seine Worte dümmlich, so waren die ihren die traurigsten, die er je gehört hatte! Kein nächstes Mal? Bei Gott! Das galt es abzuwarten!
Nur war sie eben eine stolze Frau. Ob er wohl einen Weg zu ihrem Herzen finden würde?
10. KAPITEL
Alles war bereits auf den Beinen, noch bevor der Morgen grau über den Zinnen heraufdämmerte. Unablässig fiel der Regen. Kein Tag zum Reisen, wahrlich, aber der König hatte es nun einmal so verfügt. Fitz Osbern musste aufbrechen. Klirren von Zaumzeug war zu hören, Hufgetrappel, das Knarren von Leder. Soldaten stampften mit den Füßen, um sich in der beißenden Kälte warm zu halten. Hin und wieder war das Fluchen der schlaftrunkenen Männer zu vernehmen, die sich mit klammen Fingern an Riemen und Ösen zu schaffen machten. Das Frühstück wurde in aller Eile verzehrt; außergewöhnlich zerstreut und kurz angebunden bellte der Befehlshaber seine Anweisungen. Alles beeilte sich mit dem Beladen der Packwagen, um sich bloß keinen Ärger mit Fitz Osbern einzuhandeln. Kein Wunder, denn seine Laune war so miserabel wie das Wetter.
Sir Thomas de Byton, der seinen Unmut über den Wechsel an der Spitze der Burg noch auf die Schnelle Ausdruck verleihen wollte, stieß bei Gervase auf wenig Gegenliebe. „Ihr seid ein guter Burghauptmann, de Byton.“
„Jawohl, Mylord.“
„Ihr habt meine Befehle stets unverzüglich ausgeführt.“
„So ist es, Mylord.“
Fitz Osbern wählte seine Worte mit Bedacht. „Während meiner … äh, Abwesenheit … untersteht Ihr … äh, der Lady.“
De Byton schnaubte abfällig.
Fitz Osbern wurde böse. „Jetzt hört mir mal genau zu!“, blaffte er unvermittelt barsch und drohend. „Ihr werdet den Befehlen der Lady gehorchen, wie es sich gehört: unverzüglich und aufs Wort. Ihr werdet Euer Möglichstes tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Denkt daran, ich habe meine Ohren überall! Wehe, es kommen Klagen. Dann steht Ihr mir dafür gerade. Habt Ihr das verstanden?“
De Byton schluckte krampfhaft, als habe er Halsbeschwerden. „Jawohl, Mylord.“
„Passt
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