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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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an, und ob die Burg etwa in hellen Flammen stehe! Es war noch stockfinster, ganz früh am Morgen; ein wenig graute es schon am Horizont. Ein weiterer nasskalter Tag bahnte sich an, wie Rosamund fröstelnd feststellte. Gerade als sie die Füße in die klammen Schuhe steckte, erschien Edith an der Schlafkammertür.
    „Was gibt es denn?“, fragte Rosamund, während sie sich unbeholfen den Überwurf lose zuband.
    „Sir Thomas ist draußen, Mylady. Er sagt, Ihr sollt sofort kommen, das müsstet Ihr sehen.“
    „Sehen? Was denn?“
    Edith zuckte die Schultern; die etwas grobschlächtige Art des Burgwehrhauptmanns war ihr nicht neu. „Es wäre dringend, meint er. Wird es wohl auch, sonst würde er uns nicht vorm ersten Hahnenschrei aus dem Schlaf reißen …“ Schimpfend entfernte sie sich, um das Feuer zu entzünden.
    Rosamund wickelte sich in ihren Mantel und zog sich die Haube über ihr zerzaustes Haar. Wenn Sir Thomas ihr Erscheinen für notwendig hielt, dann musste sie wohl hin, denn niemand wusste besser als sie selbst, wie spärlich ihre Burgwehr besetzt war. Falls es den Walisern in den Kopf kam, die Burg anzugreifen, sah es düster aus. Sicher, eine schlecht bewaffnete Räuberhorde, die konnte man sich vom Leibe halten, doch trotzdem …
    Sir Thomas war bereits wieder fort. Noch immer fröstelnd durchquerte Rosamund den diesmal menschenleeren Burgsaal. Dass die sonst hier schnarchenden Burgwehrmänner schon draußen waren, verstärkte das mulmige Gefühl noch. Vorsichtig tastete sie sich über den finsteren Burghof mit seinen vielen vereisten Pfützen hinüber zum von Fackeln erhellten Torhaus, wo schon reges Treiben herrschte. Sie stieg die Treppe hinauf zum Wehrgang, wo sie dem Wind schutzlos ausgeliefert war und noch mehr vor Kälte zitterte. Das war aber nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich ihr auf dem flachen Stück zwischen Burgtor und Landstraße bot.
    „Ach, du meine Güte!“
    „Das ist Fitz Osbern, Mylady“, erklärte Sir Thomas, der sich inzwischen hinzugesellt hatte, nicht ohne klammheimliche Schadenfreude.
    „Sehe ich selbst!“, fauchte sie. Denn dort unten, im grauen Dunst der Morgendämmerung allmählich auszumachen, wehten die nur zu vertrauten Banner und Wimpel mit dem drachenähnlichen silbrigen Fabeltier auf schwarzem Grund. Von Gefühlen überwältigt, rang Rosamund nach Atem. Er war zurückgekehrt! Sie durfte ihn doch wiedersehen … Aber nicht so, oder? Ihr plötzlich aufflammendes Begehren wurde rasch von heißem Zorn verdrängt. Sie beugte sich vor und spähte angestrengt hinunter zu den Gestalten, die sich nach und nach aus dem nebligen Grau herausschälten.
    Eine kleine Streitmacht hatte vor dem Tor ein feldmäßiges Lager aufgeschlagen. Zelte waren errichtet, Seile zum Anbinden der Pferde gespannt. Durch die stille Luft drang das Stampfen und Schnauben der Rösser. Rosamund machte sich nichts vor: Auch an der anderen Burgseite, zwischen Ringmauer und Fluss, waren bestimmt weitere Truppen aufmarschiert. Zur Rechten setzte nun auch noch Gehämmer ein – erstes Anzeichen dafür, dass ihre „Gäste“ wohl einen Belagerungsturm bauten. Ja, richtig, jetzt konnte man sie erkennen. Da wurden bereits lange Baumstämme herangeschleppt; Rinderhäute stapelten sich am Boden, die in feuchtem Zustand um die Stämme gewickelt die Holzkonstruktion vor Brandpfeilen schützen sollten. Inzwischen loderten auch an mehreren Stellen Lagerfeuer auf, und der Geruch von Hammeleintopf drang Rosamund unangenehm in die Nase. Stimmengewirr und Geschrei waren zu hören, in der frühmorgendlichen Stille trugen Geräusche weit. Banner knatterten im Wind. Und irgendwo in diesem emsigen Getümmel steckte auch Gervase Fitz Osbern.
    Ihr Geliebter! Ihr Herzliebster! Der Mann, der gekommen war, um sie ihres Besitzes zu berauben!
    „Aber der König hat ihm doch deutlich gemacht, dass sein Anspruch unbegründet ist! Er hat ihm den Rückzug befohlen!“ In Rosamund tobte ein solches Durcheinander der Gefühle, dass sie nicht wusste, was sie zuerst empfinden sollte. Wut, weil er dem König den Gehorsam verweigerte? Unbändige Freude, weil er wieder da war, zum Greifen nah? Bewunderung ob seiner unglaublich listigen Strategie? Erst dem Buchstaben des Gesetzes zu folgen und dann, kaum dass der König ihm den Rücken kehrte, umzudrehen und zu erobern, was er als sein Eigentum betrachtete! Sie konnte ihn sich bildhaft vorstellen, sogar jetzt: grinsend, weil er vermutlich genau wusste, was in ihr vorging.

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