Die Liebeslist
Einduck.“
„Ja“, murmelte Petronilla in ihren Pelz.
„Und … liebst du ihn?“, fragte Rose zögerlich.
Petronilla verkroch sich noch tiefer in ihren Kragen. „Von Liebe verstehe ich nichts.“
„Ich auch nicht.“ Rosamund lachte leise. „Damit wären wir schon zwei.“ Beide verstummten.
„Mag sein, dass ich ihn liebe“, gab Petronilla nach einer Weile zu. „Doch da sich unsere Wege vermutlich nicht mehr kreuzen, lohnt es sich ohnehin nicht, darauf noch einen Gedanken zu verschwenden. Oder?“
„Nein. Ganz und gar nicht.“
Mit dieser freudlosen Feststellung war wohl alles gesagt. Für beide.
Die Reiterkolonne entschwand derweil in flottem Trab in der Ferne. Bald würde sie den Waldrand erreichen und von den Bäumen verschluckt werden. Blinzelnd spähte Rosamund durch den Regen, der sich inzwischen in ein dünnes Nieseln verwandelt hatte. Auf einmal bemerkte sie, dass ein Reiter aus der Kolonne angehalten hatte und auf der Straße sein Pferd wendete. Sie wusste, wer es war, erkannte den dunklen Braunen, den Hund daneben. Schon hob sie die Hand, um ihm zu winken, war sich aber nicht sicher, ob er sie überhaupt würde sehen können. Doch, er hatte sie entdeckt! Oder falls dem nicht so war, so winkte er ihr doch auf seine Weise zum Abschied zu. Er hatte sein Schwert gezückt und wie zum formellen Gruß in die Höhe gereckt. Dann riss er den Braunen herum und sprengte der Gruppe nach.
„Er ist weg“, bemerkte Petronilla.
„Ja. Was hätte ich anderes machen können?“
„Nichts. Es entspricht eben nicht deiner Natur.“
Rosamund beugte sich vor und barg das Gesicht an der Schulter ihrer Mutter. „Wenn ich noch einmal könnte“, flüsterte sie, „und zwar von Anfang an – ich würde alles anders machen.“ Es kam aus tiefstem Herzen.
Still und kalt senkte sich der graue Alltag über die Burg, doch die nun unangefochtene Herrin von Clifford fand keine Ruhe. Stürme brausten über das Kastell hinweg und brachten neue Regenwolken mit, ein Spiegelbild von Rosamunds Stimmung. Wieder schien es, als staue sich das Regenwasser auf dem Burghof. Sir Thomas erwies sich als erstaunlich geneigt, Roses Befehle auszuführen, fast so, als habe er von Fitz Osbern … Ach, Unfug! Mit Clifford hatte Gervase nichts mehr am Hut. Vermutlich war es das Beste, sie schlug ihn sich ein für alle Mal aus dem Kopf.
Doch ihre Gedanken verweigerten ihr den Gehorsam; ihr Wilder Falke, er ließ sich einfach nicht verscheuchen. Sie vermisste ihn maßlos – ein Elend, eine offene Wunde, die sich nicht schließen wollte. Und dann die Einsamkeit. Wie kam das bloß, dass er ihr dermaßen fehlte? Ein Mann, der sie vorsätzlich in die Irre geführt und in dem Glauben gelassen hatte, ihm seien alle möglichen Missetaten zuzutrauen, alle möglichen Grobheiten, nur damit sie ihre Siebensachen packte und ins sichere Salisbury zurückkehrte. Ein Mann, der sie in die Arme genommen, der sie entkleidet und geküsst und ihr unvorstellbare Wonnen geschenkt hatte. Nachts, wenn sie allein war, ließ sie den Tränen freien Lauf.
Zuweilen – nein, oft – war sie versucht, das einzige handfeste Andenken an ihn aus ihrem Mieder zu zupfen: ein gefaltetes, ziemlich bekleckertes Stück Pergament. Das hatte er ihr hinterlegt, und zwar so, dass sie es finden musste. Ein kurzes Lebewohl in schwarzer, winkliger Schrift.
Rose,
zwischen uns war nichts Unehrenhaftes. Dein Vertrauen hat mich zutiefst bewegt, sodass ich keine Worte dafür finde. Ich werde das Andenken immer in Ehren halten.
Es ist nicht mein Wunsch, dich zu verlassen. Allein, des Kö nigs Wort ist Gesetz.
Dein Diener
Gervase Fitz Osbern
Wütend auf sich selbst, brach Rosamund erneut in Tränen aus, welche die Schrift zu unleserlichen Klecksen verschmierten.
Hin und wieder machte sie es sich zur Pflicht, die Kammern im Westturm, in denen er Quartier bezogen hatte, zu inspizieren. Öffnete sie aber die Tür und stand in der stillen Kammer, brachte dies keinen Trost. Alles war sauber gefegt und ordentlich. Nur die inzwischen hereingebrachten Möbelstücke gaben Zeugnis davon ab, dass hier überhaupt in der letzten Zeit jemand logiert hatte.
Fast war es, als wäre er überhaupt nicht da gewesen.
11. KAPITEL
Ein Donnern an der Tür zu ihrer Kemenate weckte Rosamund auf. Schlaftrunken fuhr sie hoch, tastete nach ihrem Nachtmantel und hörte, wie Edith nebenan gähnend zur Tür schlurfte. Was denn der Radau solle mitten in der Nacht, raunzte die Zofe erzürnt den Krachmacher
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