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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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sind Diebe. Alle haben ihren Preis. Alle sind gleich, und ich bin wie alle. Das hast du gedacht.»
    Agathe schwieg.
    Tibo sagte: «Geh weg.» Er stieß sich von der Tür ab, ließ sich in seinen Sessel sinken und legte die Füße auf den Schreibtisch.
    Durchs Fenster kam eine staubtrockene Brise herein, die den hauchdünnen Vorhang träge Blasen schlagen ließ. Tibo dachte an nichts und betrachtete die Kuppel meiner Kathedrale, die zwischen den Atemzügen der Gardine zum Vorschein kam. Und als sich um eins die Tauben von der Kuppel erhoben wie grauer Nebel und der Klang der Glocken wenige Augenblicke später das Büro erreichte, stellte Tibo sich ans Fenster und schaute auf den Platz hinunter. Kurz darauf erschien Agathe, in der Hand die in Zeitungspapier eingeschlagenen Brote, und setzte sich an den Brunnenrand.
    Schnell wandte Tibo sich ab, nahm sein Scheckbuch aus der Schublade und ging zur Hintertreppe. Er brauchte ein paar Minuten, um zur Gerichtsverwaltung hinaufzusteigen, die eine Etage über der Planungsabteilung und am Ende eines langen Korridors lag, der verschiedene Gebäudeteile durchlief und miteinander verband wie eine Sehne ein Fleischstück. Der Korridor durchlief Dachgeschosse, führte Feuerleitern hinab und wieder hinauf und endete schließlich in einem städtischen Gebäude auf der anderen Seite des Platzes vor einemHaufen Klappstühle und Eimern mit grüner Farbe. Tibo stieß die letzte Tür auf und stand vor einem Büro mit dem Türschild «G.   Ångström, Justizbeamter». Tibo klopfte nicht an. Das Anklopfen schien urplötzlich aus der Mode gekommen zu sein.
    Herr Ångström aß gerade ein Eibrot und las Zeitung, als der Bürgermeister unangekündigt eintrat. Das Büro war nicht besonders groß und eigenartig geformt, da es direkt unter dem Dach lag. Das schiefe Fenster ging auf einen dunklen Hinterhof hinaus, und verschiedene Regenrohre schoben sich hinter der Scheibe in die Höhe wie konkurrierende Kletterpflanzen. Die von Tibo aufgestoßene Tür knallte gegen Herrn Ångströms Schreibtisch.
    «Oh», sagte Tibo, «Verzeihung.» Und als Herr Ångström nichts erwiderte, fügte er hinzu: «Hören Sie, ich habe da einen Freund, der steckt in der Klemme. Muss eine Geldbuße zahlen. Ich möchte das übernehmen.»
    Herr Ångström schluckte ein großes Stück Eibrot herunter und sagte: «Name?»
    «Stopak. Hektor Stopak.»
    «Kanalstraße?»
    «Das müsste er sein.»
    «Ich werde mich darum kümmern, Herr Bürgermeister.»
    «Es geht um achtzehnhundert.»
    «Machen Sie sich keine Gedanken, Herr Bürgermeister.»
    «Wie meinen Sie das?»
    Ångström zwinkerte ihm vertraulich zu. «Ist schon erledigt.»
    Tibo klatschte sein Scheckbuch auf den Tisch, dass es knallte wie ein Pistolenschuss, und dann fing er wütend zu kritzeln an. Der Knall hatte Ångström hochfahren lassen.
    «Ich stelle einen Scheck auf den Stadtkämmerer aus», erklärte Bürgermeister Krovic. «Ich erwarte, dass er eingelöst wird.» Böse funkelnd blieb Tibo vor dem Schreibtisch stehen, während Ångström eine Quittung schrieb. Als er sie bekommen hatte, faltete Tibo sie zusammen und steckte sie in seine Geldbörse. Er sagte: «Sie, Herr Ångström, können sich eine neue Stelle suchen», und stampfte aus dem Büro.
    Am Nachmittag, als Tibo dem Schatten der Kathedralenkuppel beim Wachsen zusah, kam Agathe drei Mal an seine Tür und klopfte. Und jedes Mal sagte Tibo: «Geh weg.» Beim letzten Mal hörte er sie weinen.

 
    TIBO RÜHRTE sich nicht von seinem Platz. Mit auf den Schreibtisch gelegten Füßen und hinter dem Kopf verschränkten Händen blieb er sitzen, bis seine Gelenke eingerostet waren. Er musste überlegen, was er getan und was es ihn gekostet hatte. Er hätte Agathe kaufen und benutzen können – aber er liebte sie, und der Preis für seine Liebe war, dass er sie niemals würde haben können. Er hätte Hektors Geldstrafe nicht bezahlen müssen, er hätte stattdessen gutgekleidet, mit geputzten Schuhen, rasiert und parfumiert zur Kanalstraße fahren und sich Hektors Verhaftung ansehen können, aber das hätte Agathe traurig gemacht. So ergab es sich, dass Tibo von allem nur das Schlechte bekam – das Geld war weg, und als Gegenleistung lief Hektor Stopak als freier Mann herum, der Agathe nächtelang lieben konnte. Und sie würde glauben, er habe das Problem «geregelt», weil er so wie alle anderen war, so wie Ångström. «Nicht alle sind gleich. Ich bin nicht wie alle.» Es war sein einziger Trost.
     
    Und

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