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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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gekommen, dass Ihre Frau lügt wie gedruckt und Sie selbst schuldiger als schuldig sind. Das Gericht verurteilt Sie zu dreißig Tagen Haft.»
    Noch bevor der Hammer niederkrachte, packte Yemko Guillaume die Tischkante und rappelte sich auf. «Euer Ehren», japste er, «das ist der unglaublichste Justizirrtum, der mir in all den Jahren meiner Tätigkeit bei Gericht untergekommen ist. Muss ich Euer Ehren daran erinnern, dass das Urteil sich auf die vorgebrachten Beweise zu stützen hat, und zwar nur darauf – nicht auf ihr mögliches Gegenteil?»
    Tibo zog ein gelangweiltes Gesicht. «Das stimmt. Aber ich bin hier der vorsitzende Richter. Falls Sie Revision einlegen möchten, können Sie sich gern an die nächsthöhere Instanz wenden.» Er drehte sich zum Gerichtsdiener um. «Wer ist zuständig?»
    «Richter Gustav», sagte der Gerichtsdiener.
    «Richter Gustav», sagte Tibo zu Guillaume. «Ist der nicht gerade in Umlaut?»
    «Ja, Herr Vorsitzender», sagte der Gerichtsdiener.
    «Ja», sagte Tibo. «Wegen des großen Mordfalls?»
    «Ja, Herr Vorsitzender», sagte der Gerichtsdiener.
    «Ja», sagte Tibo. «Aber in ungefähr einer Woche sollte er wieder Termine frei haben?»
    «Ja, Herr Vorsitzender», sagte der Gerichtsdiener.
    «Ja», sagte Tibo. «Sie haben es selbst gehört, Herr Guillaume. Richter Gustav sollte in ungefähr einer Woche zurück sein, und ich bin überzeugt, dass er mein Urteil kritisch betrachten und Ihren Mandanten freisprechen wird. Bis dahin muss Ihr Mandant ins Gefängnis. Wachtmeister, führen Sie ihn ab.»
    Guillaumes dicker Bauch bebte. Sein Gesicht verfärbte sich vor Wut blau. «Das wird Sie den Richterstuhl kosten – endgültig!»
    «Herr Guillaume, da haben Sie wohl recht. Falls es wirklich so kommen sollte, werde ich in Zukunft viele freie Nachmittage genießen können, nicht wahr? Aber bis dahin wird noch eine Woche vergehen, und solange wird dieser kleine Mann» – Tibo stach wütend mit dem Füller in Richtung Anklagebank – «hinter Schloss und Riegel sitzen.» Tibo hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht zu brüllen.
    Er hielt den Blick starr auf Guillaumes fettes Gesicht gerichtet und sagte: «Frau Stoki, Sie haben es gehört. Ihr Mann muss für sieben Tage ins Gefängnis. Bei Gott, falls Sie nach seiner Entlassung immer noch zu Hause wohnen, haben Sie verdient, was Sie bekommen. Die Sitzung ist geschlossen.»
    Die ersten Klänge des Elf-Uhr-Läutens gingen in Tibos Hammerschlägen unter, aber in der Stadt, am Ufer des Ampersand, unten am Kanal und im Hafen und in den Verwaltungsgebäuden, die sich um den Rathausplatz drängten, riefen die Glocken Dot zur Kaffeepause.
    Die Damen, die zum Einkaufen in die Schlossstraße gekommen waren, hoben den Kopf und fragten einander: «Der Goldene Engel – sollen wir ein Törtchen riskieren?» Im Kaufhaus Braun leerte sich die Miederwarenabteilung, die Parfumabteilung lag verlassen da, die Hutabteilung glich einer Wüste, und die Cafeteria, von der man die Straße überblickt und sich auf Augenhöhe mit der steinernen Walpurnia über der riesigen, holzvertäfelten Eingangstür der Genossenschaftlichen Privatbank Ampersand wiederfindet, verwandelte sich in einen Dschungel aus versilberten Tortenplatten und Kaffeekännchen, endlos vervielfacht von verspiegelten Wänden, die Versailles alle Ehre gemacht hätten.
    Im Bürgermeisterbüro setzte Agathe Kaffee auf, wartete ein Weilchen, füllte zwei Tassen mit dem dunklen Gebräu und stieg vorsichtig die Hintertreppe zu Peter Stavos verglaster Hausmeisterkabine hinunter. Er wusste sofort, dass sie traurig war. Er sagte nichts. Sie sagte nichts. Er aß zwei Ingwerkekse und hielt ihr die Packung hin. Weil sie ablehnte, aß er die restlichen zwei auch noch, die sie hätte haben können. Sie tranken ihren Kaffee aus, und Agathe ging wieder. «Armes Mädchen», sagte Peter, als er sich wieder über sein Kreuzworträtsel beugte.
    Drüben im Gerichtsgebäude stand Tibo im richterlichen Ankleideraum, wusch sich das Gesicht und sagte leise: «Es ist lange her. Alles so lange her.» Der Kaffee, den der Gerichtsdiener ihm gebracht hatte, stand auf dem Schreibtisch und wurde kalt.
    Als die Glocken eine Stunde später wieder schlugen, machte Agathe sich an die zweite Tagespost. Während der Arbeit schielte sie immer wieder zum Posteingangskorb hinüber, in dem gestern noch das scharlachrote Päckchen ausdem Kaufhaus Braun gelegen hatte. Sie versuchte, nicht mehr daran

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