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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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Sofa lag und die offene Wohnungstür in der Zugluft schwankte, als der Kater Achilles einen hübsch platten Kreis in Agathes Bettdecke trampelte und sich schlafen legte, stand Hektor nackt am Herd und rührte aus sechsEiern ein Omelett zusammen, Agathe lag derweil nackt im Bett, auf einen Ellenbogen gestützt, und sah ihm lächelnd zu.
    Und als sie das Omelett verspeist und noch ein Schlückchen Wodka getrunken hatten, und während der Schnee die ganze Nacht lang geräuschlos fiel und der Ofen knackte und klapperte und schließlich kalt wurde, liebten sie sich.

 
    DANN GRAUTE der Morgen. Agathe war wach und lag auf dem Rücken, so wie damals, in einem früheren Leben, nackt und unter einem schnarchenden Mann begraben, der sie halb umarmte und halb erdrückte.
    Die Vorhänge waren dünn und nicht gesäumt. Sie passten nicht vors Fenster. Eine winterliche Morgendämmerung zog auf. Draußen brannten noch die Straßenlaternen, und durch die Ritze in der Mitte, wo die Vorhänge nicht ganz schlossen, und die Ritzen ganz oben, wo sie zu weit herunterhingen, drang das Licht von der verschneiten Straße herein und tauchte den Raum in ein Mausgrau.
    Das hat ein Mann aufgehängt, dachte Agathe. Ich könnte das in Ordnung bringen. Ich könnte ein paar hübsche Vorhänge für dieses Zimmer nähen.
    Sie hatte den linken Arm um Hektor gelegt. Sie hatte sich seinen Kopf auf die Brust gezogen und drehte mit der freien rechten Hand seine Haarsträhnen zu Locken. Hin und wieder beugte sie sich umständlich vor, küsste ihn auf die Stirn und ließ sich wieder zurücksinken, um lächelnd zu flüstern: «Du bist wundervoll», oder: «Danke. Danke», und einmal sogar: «Was habe ich getan?»
    Sie sah sich im Zimmer um. Nach und nach tauchten die Gegenstände aus der Dunkelheit auf und nahmen Gestalt an – der Ofen, der vermutlich nicht zu den saubersten gehörte, am Fenster die breite Porzellanspüle mit Unterschrank, auf derenAbtropffläche sich Geschirr stapelte, ein weiterer Schrank (war es ein Kleiderschrank?) und mitten im Zimmer ein Tisch mit drei Stühlen.
    Der vierte stand direkt neben Agathe und diente als Nachttisch, darauf zwei benutzte Wodkagläser, eine Packung Zigaretten, eine Streichholzschachtel und die beiden Bücher, die Hektor an der Tür aus seiner Tasche gezogen und ihr in die Hand gedrückt hatte. Agathe nahm sie und legte sie auf die Bettdecke. Das eine war groß und hatte einen schlichten, schwarzen Umschlag, das andere war klein, zerfleddert und in grünlich braunes, abgegriffenes, fleckiges Wildleder gebunden. Auf den Rücken und die Front waren goldene Buchstaben gedruckt – «Omar Khayyam». Ein hübscher Name. Agathe schlug das Buch vorsichtig auf, um sich nicht zu viel zu bewegen. Sie hielt es in der freien Hand und blätterte mit der Nasenspitze um. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie Gedichte. Kurze Gedichte. Jede Menge davon. Einige fröhlich. Andere über Liebe. Ein paar wenige beschäftigten sich mit dem Alkohol. Agathe beschloss, später noch in dem Büchlein zu lesen.
    Sie legte es zurück und tastete mit den Fingerspitzen auf der Bettdecke herum, um das zweite zu finden. Es war so schlicht und schwarz wie eine Bibel, nur dass eine Bibel dick und klein ist und Hektors Buch elegant proportioniert war: schmal, schick. Während die Seiten einer Bibel dünn sind wie Zigarettenpapier, waren die in Hektors Buch dick und cremeweiß. Agathe legte das Buch auf die Bettdecke, klappte es auf und hielt es mit einer Hand in die Höhe. Und dann, ausgebreitet über eine Doppelseite, entdeckte sie sich selbst, und zwar nackt. Agathe schnappte nach Luft. Sie musste einen Schrei unterdrücken. Beinahe wäre sie aus dem Bett gesprungen,aber sie lag halb unter einem schlafenden Mann. Hastig blätterte sie um. Wieder eine nackte Agathe. Und noch eine und noch eine. Skizzen von Agathe, wunderschöne Skizzen von sitzenden, gehenden, stehenden, sich streckenden, laufenden, liegenden Agathens, allesamt wunderschön und ausnahmslos nackt. Ihre Gedanken flogen zu der Postkarte, die immer noch über ihrem Schreibtisch hing. «Du bist noch viel schöner. Viel begehrenswerter.» Das hatte dort gestanden.
    Und plötzlich erkannte sie: «Ich bin tatsächlich noch viel schöner. Ich bin noch begehrenswerter.»
    «Gefallen sie dir?» Hektor sprach, ohne sein Gesicht von ihrer Brust zu heben, sogar, ohne die Augen zu öffnen. Agathe spürte seinen Schnurrbart über ihre Haut streichen und die Stoppeln an seinem Morgenkinn.
    «Du

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