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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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Stopak bringt dich um. Er bringt dich jeden Tag ein kleines bisschen mehr um, und dafür möchte ich ihn umbringen. Wenn du bei ihm bleiben willst, kannst du das tun. Wenn du hin und wiederzu mir kommst, um dir zu holen, was Stopak dir verweigert, werde ich dich nicht fortschicken. Aber ich liebe dich und will mit dir zusammen sein. Komm zu mir.»
    Agathe schwieg eine sehr lange Zeit, dann schniefte sie: «Ich liebe dich auch, Hektor. Ich liebe dich. Oh, ich liebe dich.»
    «Dann ist es abgemacht?»
    «Du willst, dass ich hier einziehe?»
    «Ich dachte, wir gehen in die Aleksanderstraße. Tauschen einfach die Wohnung mit Stopak.»
    Agathe machte sich los. «Hektor! Nein! Das ist nicht dein Ernst!»
    «Ich habe es genau durchdacht. Stopak ist ein vernünftiger Kerl. Ich werde ihm die Lage erklären, dann wird er sofort einsehen, dass zwei mehr Platz brauchen als einer. Ich werde ihm beim Packen helfen und ihn herbringen. Du musst ihn nicht einmal sehen.»
    Agathe versteckte sich hinter dem Geschirrtuch. Die Scham brannte ihr in der Kehle wie Galle. «Hektor, er ist mein Mann. Das kannst du ihm nicht antun.»
    «Hör mal, es wird ganz einfach sein.»
    «Nein, wird es nicht. Du würdest deine Anstellung verlieren.»
    «Nein.»
    «Doch. Er wird kaum den Mann weiterbezahlen, der ihm die Frau ausgespannt hat.»
    Hektor nahm Agathe bei der Hand und führte sie an den Tisch zurück. «Setz dich», sagte er. «Da gibt es einiges, das du wissen solltest. Eigentlich weißt du es, aber du sträubst dich dagegen. Agathe, du bist Witwe. Stopak ist tot. Der Mann, den du geheiratet hast, ist tot. Seit Ewigkeiten schon. Nur derAlkohol hält ihn noch am Leben. Er ernährt sich von Bier und Wodka, wie sich ein Vampir von Blut ernährt, und solange er genug davon bekommt, wird er nichts anderes wollen. Ich habe dich ihm nicht ausgespannt. Er hat dich weggeworfen. Ich könnte jetzt zu ihm hinübergehen und dich für eine Kiste Wodka kaufen. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben.»
    Aber Agathe hatte ein äußerst schlechtes Gewissen. Gestern noch hatte sie am Mitteltisch im Fenster des Goldenen Engel gesessen und Tibo «le-ben-dig» zugeflüstert. Heute stand sie in einer Wohnung in der Kanalstraße und erzählte dem Cousin ihres Mannes, dass sie ihn liebe. «Ich muss dir etwas sagen», sagte sie.
    «Ich will verdammt nochmal gar nichts wissen. Was vorbei ist, ist vorbei. Meine Mutter hat gesagt: ‹Wer der Erste war, ist egal – auf den Letzten kommt es an.› Mehr zählt für mich nicht. Dann werde ich jetzt zu Stopak rübergehen und ihm alles erklären, danach werden wir ein paar Wohnungen streichen, und heute Abend kommst du nach Hause wie immer.»
    «Oh Gott, Hektor, das kann ich nicht. Ich kann nicht. Es ist unmöglich. Lass mich hierher nach Hause kommen, zu dir. Ich kann nicht dorthin zurück. Da sind die Nachbarn und Frau Oktar aus dem Laden. Ich kann nicht. Es ist unmöglich. Aber ich liebe dich, wirklich. Ich liebe dich. Lass mich hierherkommen. Bitte.»
    Hektor nickte, hielt ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. «Wenn es das ist, was du willst – dann komm hierher. Wenn es das ist, was du willst.»
    Da war Agathe glücklich, sie lächelte und küsste ihn, kurze Küsse auf seine Augen und seine Nase und lange auf seinen Mund. «Ich liebe dich», sagte sie. «Das weißt du. Du wirst lachen.Bitte lach nicht. Du wirst es albern finden, aber das ist es nicht. Vor langer Zeit – es ist mir letzte Nacht im Bett wieder eingefallen, als du so geschnarcht hast   …»
    «Ich schnarche nicht.»
    «Doch, tust du.» Und sie küsste ihn wieder. «Während du geschnarcht hast, habe ich nachgedacht, und ich habe mich an diese alte Frau von früher erinnert. Sie hat mir meine Zukunft vorhergesagt, und sie» – Kuss – «hat» – Kuss – «mir» – Kuss – «gesagt» – Kuss – «ich würde» – Kuss – «übers Wasser reisen» – Kuss – «und meiner großen Liebe begegnen.» Kuss. «Und als ich gestern über die Weiße Brücke gelaufen bin» – Kuss   –, «habe ich dich getroffen.»
    Hektor lachte.
    Natürlich lachte er, und natürlich liebte Agathe Hektor nicht. Sie liebte Tibo. Sie liebte sogar Stopak, ein bisschen, auf traurige, mitleidige, bedauernde, nostalgische Weise. Hektor liebte sie nicht, aber Agathe war keine Frau, die sich fast einen ganzen Tag lang hitzig mit einem Mann im Bett wälzte, den sie nicht liebte. Die andere Sorte Frau kann etwas Derartiges tun und als das akzeptieren, was es ist –

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