Die Liebesluege
werden.
Nach den zwei Nachmittagsstunden Chemie sprang Elena die lange Staffel nach Montreux hinunter und landete mitten im Frühling. Es war so warm, dass sie ihre neue Jacke öffnete und kurz darauf auszog. Der Optiker hatte sie angerufen; die Linsen waren schon heute abholbereit. Elena eilte die Hauptstraße entlang in Richtung Vevey und prallte vorm Optiker mit dem roten Porsche-Besitzer zusammen, der sich am Mittwoch ihren Namen, Handynummer und Adresse gemerkt hatte.
»Aber hoppla!«, rief er und schien sehr erfreut zu sein, sie zu sehen. »Heute ist doch noch nicht Samstag!«
Aha, er hatte sich sogar den Abholtermin gemerkt! Elena lächelte flüchtig und wollte an ihm vorbeigehen, aber das ließ er nicht zu. »Stefan«, sagte er. »Ich heiße Stefan Soreau. Haben Sie meine SMS nicht bekommen?«
Wie bitte? »Ich dachte, es handle sich um einen Irrläufer«, entgegnete Elena verwirrt.
»Nein, ganz und gar nicht. Hätten Sie denn jetzt etwas Zeit?«
»Ich muss mich beeilen.« Elena senkte den Kopf. Wie peinlich, dass sie wieder mal rot wurde; warum konnte sie das nicht abstellen?
»Entweder ist ihre Freundin dabei, oder Sie sind in Eile. Haben Sie wirklich keine Zeit für einen Eisbecher oder eine Tasse Schokolade?«
Verblüfft hob Elena den Kopf. Was wollte er von ihr? Ohne es zu wollen, verglich sie ihn mit Max.
Max war ein Junge, ein sehr netter zwar, aber Stefan Soreau war ein Mann. Über zwanzig, selbstsicher und sich seiner Wirkung sehr bewusst. Und durchtrainiert … dazu die blauen Augen, die Falte zwischen den Brauen, das Grübchen im Kinn! Elena wurde noch verwirrter. Sie ertappte sich dabei, dass sie liebend gerne eine Tasse Schokolade mit ihm getrunken hätte - war das Getränk hier üblich oder zeigte es nur, dass er sie noch für sehr jung hielt? »Ich komme zu spät zum Abendessen.«
»Wie wäre es morgen? Oder am Sonntag?«
Elena schüttelte den Kopf. Warum war er so hartnäckig? Sie verstand das nicht. »Samstag fahren wir Ski.«
»Schade. Wie wäre es kommenden Mittwoch? 15 Uhr auf der Promenade?«
Er wartete, und erst, nachdem sie zögernd genickt hatte, trat er zur Seite und machte ihr den Weg frei. »Vergessen Sie nicht: Mittwoch 15 Uhr!« Er lächelte sie an. »Der neue Haarschnitt steht Ihnen ausgezeichnet. Sind Sie sicher, dass Sie nicht mit mir zu Abend essen wollen?«
»Wir dürfen nicht unentschuldigt fehlen.« Mein Gott, wie kindlich das klang! Wenn sie nur Charlys Mundwerk hätte! Er musste ja annehmen, sie sei völlig hirnlos.
Als sie schließlich an ihm vorbei in den Laden trat, roch sie sein Rasierwasser. Ganz schwach war der Duft nur, aber würzig und total männlich … er haute sie fast um.
Als der Optiker sie aufforderte, die Linsen auszuprobieren, zitterten ihre Hände.
»Alles in Ordnung? Es wird eine Weile dauern, bis Sie sich daran gewöhnt haben, also machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie anfangs das Gefühl haben, einen Fremdkörper im Auge zu haben.«
Durcheinander, wie sie noch immer war, kaufte sie in einer eleganten Konditorei ein Törtchen, gefüllt mit Mousse au Chocolat. Auf dem dunkelbraunen Guss glänzten drei Flitter aus echtem Blattgold - superedel natürlich, aber ein idiotisches Geschenk für eine Kranke wie Charly.
Immer wieder blickte sie sich nach allen Seiten um, aber Stefan war verschwunden. Schade.
Die lange steile Staffel führte Elena aus dem Frühling heraus und wieder in den Winter hinein. Im Dorf und Park von Villa Rosa lag der Schnee noch gut zwanzig, dreißig Zentimeter hoch, obwohl die Sonne den ganzen Tag geschienen hatte und die Temperatur beträchtlich gestiegen war.
Unter den kahlen Magnolien war der Schnee weggetaut. Nun waren nicht nur die Schneeglöckchen, sondern sogar
gelbe Winterlinge aufgegangen, und wenn sie sich die Zeit genommen hätte, hätte sie zwei blaue Leberblümchen entdeckt: Der Frühling war auch hier nicht mehr aufzuhalten.
Charly ging es eindeutig besser. Sie saß ganz munter im Bett, hatte Zwieback gegessen und Kamillentee getrunken und Elena legte die hübsch verschnürte Schachtel mit dem Törtchen auf die Decke. »Für morgen; damit du mit uns Skifahren kannst!«
»O! Danke! Was machen die Linsen?«
»Tun etwas weh. Aber das gibt sich, sagte der Optiker. Ich muss runter; soll ich dir etwas zu essen bringen?«
»Uggg«, machte Charly. »Bloß nicht!«
Im Speisesaal saßen Swetlana und Valerie allein an einem Achtertisch, selbst die restlichen sechs Stühle fehlten, weil sich die Leute
Weitere Kostenlose Bücher