Die Liebesluege
feucht. Fürsorglich schüttelte sie es auf und legte es mitsamt der Decke über einen Stuhl. Um das verrutschte Spannbettuch glatt zu ziehen, hob sie die Matratze etwas an - und entdeckte darunter eine Flasche mit dem kleinen Rest einer braunen Flüssigkeit. Sie holte sie hervor und las, was auf dem Etikett stand.
Scharf zog sie den Atem ein. Sie prägte sich den Namen ein, legte die Flasche wieder zurück und machte Charlys Bett.
»Ich war auf der Toilette.« Charly zog den Bademantel aus und kroch zwischen die Federn. »Vielen Dank. Jetzt fühlt sich alles wieder richtig gut an. Wie sind die Pisten? Und wie war der Schnee? Hat dir der Tag überhaupt Spaß gemacht?«
»Sehr«, antwortete Elena einsilbig.
»Und was geschah mit Swetty? Nun sag schon, Elena. Du bist so schweigsam; bist du sauer?«
»Nein«, entgegnete sie entschieden, setzte sich auf Charlys
Bettkante und schilderte ihr ausführlich Swetlanas Rutschpartie. »Übrigens«, meinte sie abschließend, »wird es morgen nichts mehr mit Skifahren. Das Wetter ändert sich; wir haben Föhn, deshalb ist es heute auch so klar. In der Nacht wird es regnen, sagen die Wetterfrösche.«
»Wie schade für euch.« Charly gähnte.
»Finde ich auch.« Elena rang mit sich. Sollte sie Charly auf die Flasche unter der Matratze ansprechen? Nein, zuerst wollte sie herausfinden, was sie enthalten hatte. »Soll ich dir etwas zum Essen bringen?«
Charly schüttelte den Kopf. »Ich bin müde, und mir ist übel. Aber sag, ist es sicher, dass ihr morgen nicht zum Skifahren geht?«
»Absolut sicher«, bestätigte Elena.
Zufrieden kuschelte sich Charly zwischen die Federn. »Na dann … Lass es dir schmecken; nach einem langen Tag auf der Piste wirst du einen Wolfshunger haben, Elena.«
Nachdem die Stimmen und das Getrappel auf der Treppe verklungen waren, sprang Charly munter aus dem Bett, schaute rasch unter die Matratze, holte sich dann von Elena ein Buch, das sie noch nicht kannte, knüllte das Kissen zusammen, öffnete das Buch, legte es wieder weg, aß mit großem Appetit das Törtchen mit der Mousse-au-Chocolat-Füllung und den Blattgoldflittern, wischte die Finger an einem Papiertuch sauber und begann, in aller Gemütsruhe zu lesen.
Elena hatte tatsächlich großen Hunger. Sie häufte ihren Teller so voll wie noch nie und setzte sich zu Max.
»Heute ist Barabend. Kommst du?« Er schaute sie erwartungsvoll an.
»Ich weiß nicht …« Sie verstummte, weil sie an Stefan dachte.
»Was gibt es da zu überlegen?«
Gute Frage. Er ahnte ja nichts von Stefan … »Heute war’s in der Warteschleife gar nicht so übel, oder?«, meinte sie schüchtern und fragte sich, wie gut Stefan wohl Ski fuhr.
»Das Skifahren war echt super.« Max spießte eine Tomatenscheibe auf die Gabel. »Sag mal, Elena …«
»Was flüstert ihr beide? Habt ihr Geheimnisse vor uns?«, erkundigte sich Victoria.
»Ich habe Elena nur gefragt, ob sie in die Bar kommt«, erklärte Max prompt. »Wenn du das ein Geheimnis nennst, bitte schön.«
Plötzlich stand eine Schülerin aus der Fünften, Anni, an Elenas Tisch und teilte ihr mit, dass Professor Mori sie noch an diesem Tag sehen wollte.
»Hast du was ausgefressen, Darling?«, wollte Sophia-Leonie wissen.
»Nicht dass ich wüsste«, murmelte Elena, fühlte sich aber nicht wohl in ihrer Haut. Was, wenn ihr Vater seine Meinung geändert hätte und sie doch wieder nach Hause oder in ein anderes Internat müsste? Voll böser Ahnungen schob sie den Teller von sich.
»Es wird schon nichts Ernstes sein«, versuchte Max sie zu beruhigen. »Ich drück dir die Daumen.«
Hoffentlich hält Max sein Versprechen, dachte sie, als sie an Professor Moris Tür klopfte.
»Bitte nimm Platz, Elena. Du wunderst dich sicher, weshalb ich dich nach dem langen, anstrengenden Skitag zu mir rufe. Aber ich denke, das, was wir zu besprechen haben, liegt dir am Herzen.«
»Geht es um meinen Vater?« Elena merkte erst jetzt,
wie höllisch ihre Augen brannten, und rieb sich die Augen.
»Nur indirekt.« Professor Mori sah sie prüfend an. »Was ist passiert? Hast du beim Skifahren keine Sonnenbrille aufgesetzt?«
»Die neuen Kontaktlinsen tun noch weh.«
»Vielleicht solltest du sie anfangs nicht den ganzen Tag tragen«, riet Professor Mori und kam dann, wie es ihre Art war, gleich zur Sache. »Heute war Herr Crupinski bei mir. Du möchtest, sagte er, in deiner Freizeit eine Figur aus Pappmaschee herstellen. Allein, ohne die Mithilfe anderer.«
Wie bitte? Es ging
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