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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Flegel
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herablassend, um das eingespielte Team zu ärgern.
    Unten am See machten sie kurz am Yachthafen halt, der jetzt natürlich noch Winterschlaf hielt. »Hier liegt auch unser Segelboot«, erklärte Poldy. »Kannst du segeln?«
    »Ich werde es lernen«, verkündete Charly sofort. »Und Wasserski auch.«
    »Ich denke, du fährst nicht Ski?« Obwohl Poldi oft den Eindruck erweckte, gerade am Einschlafen zu sein, war er ein viel aufmerksamerer Zuhörer als Gordon. Das war wohl seine ganz eigene Poldy-Masche: Leute in Sicherheit zu wiegen, um dann desto unnachgiebiger seine Besitzansprüche Gordon gegenüber geltend zu machen.
    »Wasser ist nicht Schnee!«
    »Doch, nur in anderer Form eben.«
    Charly blitzte Poldy an. »Aggregatzustand ist der fachspezifische Ausdruck.« Sie hätte sich die Zunge abbeißen mögen; Poldy war empfindlich, er mochte es nicht, zurechtgewiesen und verbessert zu werden. Wenn sie so weitermachte, war er am Abend ihr Feind.
    Jetzt gerade ärgerte er sich über sie, das sah sie deutlich an seinen zusammengezogenen Brauen. Gordon dagegen nervte zwar die Leute mit seinem ewigen Byron-Getue, aber im Grunde genommen war er friedfertig und zufrieden, wenn man ihn in Ruhe ließ. Bei Poldy jedoch musste sie aufpassen; er war nicht ganz so harmlos, wie es schien.

    Der Regen machte aber nicht nur den Skifahrern einen Strich durch die Rechnung; auch Gordon konnte sein Versprechen nicht einlösen: Aus der Besichtigung von Schloss Chillon wurde nichts, denn die Schlange an der Kasse war so lang, dass Charly entsetzt stehen blieb. »Da stelle ich mich nicht an.«
    Sie überlegten, ob sie in Montreux ein Eis essen sollten, fanden aber, dass ein Café an einem verregneten Sonntagnachmittag der ödeste Ort der Welt und daher unbedingt zu meiden sei. »Wie wär’s mit unserem Pavillon? Ich lade euch zu etwas ganz Speziellem ein.« Poldys Lächeln war geradezu verführerisch. »Seid ihr bereit, die Grenzen von Villa Rosa weiter zu stecken als erlaubt? Seid ihr mutig und verschwiegen?«
    »Wie geheimnisvoll du klingst! Könnte es sein, dass du etwas Verbotenes im Sinn hast?«
    »Etwas sehr Verbotenes.«
    Bei Charly leuchteten alle Warnlampen auf, aber wie immer konnte sie einer Herausforderung einfach nicht widerstehen. »Ich bin dabei. Wenn es sich aber nur um eine Zigarette handelt, bin ich enttäuscht.«
    »Zigarette!« Poldys Handbewegung sprach Bände. »Ich hab einen kleinen geheimen Vorrat -«
    »Wo?« Charlys Augen glänzten.
    »Darling«, sagte Poldy wie Sophia-Leonie, »Darling, das Wo geht dich nichts an. Das Was darfst du heute kosten, vorausgesetzt, du schweigst darüber.«
    Gordon schien überhaupt nicht begeistert zu sein. »Werden wir erwischt, bekommen wir Internatverbot oder fliegen endgültig von der Schule. Also vergiss den Blödsinn, Poldy. Wenn es unbedingt sein muss, können wir auch hier in einer Kneipe was trinken.«

    »Ach!« Charly war ehrlich enttäuscht. »Es handelt sich nur um Alkohol. Alkohol reizt mich überhaupt nicht.«
    »Du weißt nicht, was dir entgehen würde. Du könntest wählen, Charly. Wie wäre es mit Ambrosia aus meinen Gefilden; gelb wie der Neid, süß wie die Sünde und stark wie die Liebe - oder der Tod. Oder steht dir der Sinn vielleicht eher nach einem schottischen Whisky? Rein wie Feuer, braun wie Moorwasser und alt wie das Land der Väter? Ich habe ihn eines Nachts aus purer Sohnesliebe entwendet; die Leber meines Vaters wird’s mir danken.«
    Unvermittelt und so, als hätte ihn gerade ein wunderbarer Gedankenblitz getroffen, blieb Poldy stehen. »Und du, George Gordon, du hättest Gelegenheit, Byrons unsterbliche Verse zu deklamieren!« Mit einer theatralischen Geste deutete Poldy auf das Wasser:

    »… ich überließ mich im Angesicht des Sees meinen Betrachtungen. Still breiteten sich seine Wasser, kein Lufthauch regte sich, und das schneebedeckte Gebirge, jener ›hehre Thron der Natur‹, ragte in der Ferne auf wie eh und je.«

    »Das war Shelley, du Esel«, knurrte Gordon. »Willst mich wohl auf den Arm nehmen? Das war aus ›Frankenstein‹.«
    »Es war Prosa!« Charly konnte nicht verbergen, wie beeindruckt sie war. »Mensch, Poldy! Das auswendig herzusagen! Du bist phänomenal!«
    »Das Lob gebührt meinem Freund«, wiegelte er bescheiden ab. »Gordon ist das Genie, ich eifere ihm nach. Ich folge ihm wie ein Hund seinem Herrn. Hab ich das nicht schon mal erwähnt? Ich bin nur ein Streber.«
    Poldy war auch ein Verführer; mit gespielter Bescheidenheit

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