Die Liebesverschwörung
die sich ihm bot. Hatte er ihr nicht neulich heuchlerisch die Hand in den Ausschnitt … oh, daran durfte sie gar nicht denken! Er hatte so getan, als leiste er ›Erste Hilfe‹. Und ich Schaf habe es geglaubt. Habe mich heute nicht gewehrt, als ich merkte, daß es schief lief. Denn eigentlich sollte er bis dahin durch meine Parfümversprengerei so weichgekocht sein, daß er mir auf der Stelle einen Heiratsantrag gemacht hätte. Ja, Pustekuchen!
Alles hätte ich für möglich gehalten. Daß er weggelaufen wäre, hätte mich nicht gewundert, sinnierte sie. Aber er ist ja ein Draufgänger! Und ich habe mich als Stine von ihm küssen lassen. Ist das zu fassen?!
Wie sollte sie Stine überhaupt wieder in die Augensehen? Die würde sich schön wundern, wenn der Herr Baron sie plötzlich in die Arme riß. Der merkt gewiß gar keinen Unterschied, dachte Amélie ungerecht. Vielleicht geht dann auch noch die Sache zwischen Stine und Jupp schief. Und ich habe schuld daran, weil ich Schicksal spielen wollte. Hermann hat auch eine Menge Schuld. Der hat es mir doch eingeschnackt. Ach, ich bin traurig. Unglücklich. Wütend. Ich werde nach Hause radeln und nie, nie wieder einen Fuß auf Pluttkorten setzen.
Hermann wiegte das Haupt, als seine Schwester ihm andeutungsweise von dem Fiasko berichtete. Sie ließ den delikaten Kuß nicht ganz weg, machte aber ein flüchtiges Küßchen daraus. Unmöglich konnte sie gestehen, daß sie als Stine zurückgeküßt hatte. Das schickte sich nun wirklich nicht.
»Ich werde mal bei ihm anrufen und die Lage sondieren«, versprach Hermann. »Weißt du, Schwesterherz, irgend was stimmt da nicht. Ich würde ja sagen, Wilhelm hätte sich verstellt, um uns für unsere List zu bestrafen. Aber so raffiniert ist der alte Knabe einfach nicht.« Und so beharrte er auf seinem Vorurteil und wußte gar nicht, wie dicht an der Wahrheit er soeben gewesen war.
Sein Anruf erbrachte jedoch gar nichts. Franz meldete sich und erklärte vornehm durch die Nase, der Herr Baron sei fortgefahren. Er komme erst morgen wieder zurück.
»Wohin ist er denn?« fragte Hermann, und erwartete nach dem ordentlichen Bestechungsgeld eine gewisse Kumpanei. Aber Franz säuselte nur: »Leider kann ich keine weitere Auskunft geben, dieweil ich selber gar nichts weiß.«
Ein mieser Bursche. Hermann war sauer. Das würde er dem Franz noch heimzahlen. Es gab keinen Diener, der nicht alles wußte. Und Franz im besonderen, der wußte noch mehr als alles. Der hörte das Gras wachsen.
»Er ist fortgefahren«, meldete Hermann seiner Schwester.
»Mir ist das egal. Vielleicht besucht er seine Freundinnen in der Stadt. Ich sehe ihn ohnehin nie wieder«, sagte sie und unterdrückte ein Schluchzen, mit dem sie andauernd zu kämpfen hatte. Vermasselt! Alles vermasselt! Warum hatte sie nicht züchtig gewartet, wie es sich gehörte für eine junge Dame? Im Internat war ihnen das immer wieder gepredigt worden: Ein wohlerzogenes Mädchen tut nie den ersten Schritt, auch nicht den zweiten oder dritten. Sie tut überhaupt nichts außer: süß aussehen und hilflos wirken. Nun hatte sie die Quittung. Das Ei wollte klüger sein als die Henne.
Hermann tätschelte ihr kurz die Hand. »Du willst ihn also nie wiedersehen? Aha! Hör mal, Amélie, mitten im Fluß wechselt man nicht die Pferde, und mitten in einer Aktion gibt man nicht auf, verändert die Taktik auch nicht grundsätzlich, paßt sie höchstens den Gegebenheiten etwas besser an. Uff. Ich habe jetzt wirklich zu tun. Dein Wilhelm kostet mich einfach zuviel Zeit.«
»Mein Wilhelm! Das ist ja der reinste Hohn!«
»Gar nicht. Du gehst natürlich morgen wieder hin. Er hatte dich doch bestellt.«
»Er hatte Stine bestellt.«
»Richtig. Und als Stine gehst du auch zum Rendezvous.«
»Ich denke nicht daran.«
»Selbstverständlich gehst du.«
»Ich gehe nicht. Auf keinen Fall. Ich wette mit dir um mein Briefmarkenalbum.«
»Behalt es lieber, Amélie. Ich weiß, daß du hingehen wirst.«
»Nie, nie, nie! Hörst du!«
In dieser Nacht lagen beide Geschwister Ritter lange wach. Ihre Gedanken kreisten um dasselbe Thema.
Hermann dachte: Etwas ist faul an der Geschichte. Selbstverständlich hat Wilhelm Amélie erkannt. Er mag schüchtern sein den Frauen gegenüber, auch hilflos und ängstlich, weil sie für ihn gefährliche Nixen sind, die einem Mann den Sinn verwirren und den Verstand rauben. Aber Wilhelm ist kein Trottel. Und er kann auch in der Dämmerung sehr gut sehen. Also muß ich davon
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