Die Liebesverschwörung
sie das nur gelesen?: »Haß ist die beste Liebe.« Jawohl. Eine Sternschnuppe fiel. Sie schloß die Augen, um sich schnell etwas zu wünschen.
»Hab mich lieb«, flüsterte sie, »hab mich lieb, Wilhelm. Bitte!!«
Auch der so von ferne Angeflehte fand keineswegs den ihm sonst so sicheren Schlaf. In seinen Schläfen hämmerte es. Er stellte sich die Szene im Stall zum hundertsten Male vor. Die nackten Beine, die unter dem gestreiften Rock hervorguckten. Schmale, rehhafte Fesseln und kleine Füße in derben Holzpantinen. Der schlanke, biegsame Körper mit den schönen Schultern. Wie sie gezittert hatte, als er sie im Arm hielt. Die braunen Haare, der zarte Teint, die braunen Augen und dieser Mund, der alles vergessen ließ. Ein Eisberg würde schmelzen in ihrer Nähe. Ein Engel in Holzpantinen!
Wilhelm war gar nicht erst ins Bett gegangen. Du lieber Himmel, ein neues Leben hatte sich für ihn eröffnet. Wer wollte da an Schlafen denken. Das konnte man immer noch.
Er schlug mit der flachen Hand auf den derben Schreibtisch und goß sich noch einen kräftigen Schluck Feuerwasser ein.
Vielleicht hatten Amélie und sein lieber Freund Hermann ihn auf die Rolle schieben wollen? Vielleicht wollten die beiden Racker einmal testen, was Wilhelm v. Pluttkorten an Widerstandskraft in seinem riesigen Körper hatte? Gut möglich, daß es gar nicht ernst gemeint gewesen war. Doch jetzt hatte es ihn gepackt. Jetzt würde er kämpfen, wenn es nötig sein sollte. Die würden sich wundern!
Er lachte laut auf und feixte glücklich vor sich hin. Tscha, man sollte einen Pluttkorten nicht unterschätzen. Sie hatten ihn herausgefordert. Er hatte angenommen.
Sein Blick fiel auf die Stelle, an der er das Wörtchen ›Amélie‹ mit seinem Hirschfänger eingeritzt hatte. Das Zauberwort. Den schönsten Namen der Welt. Der zum schönsten Mädchen der Welt gehörte. Oh, alle Aufregungen der Jagd waren doch gar nichts gegen dieses einmalige Erdbeben im Gemüt, das nun ja wohl, da machte er sich nichts vor, eindeutig Liebe war.
Probeweise murmelte er leise: »Amélie …« Wie das klang. »Amélie«, sagte er lauter. Und dann rief, brüllte, dröhnte er, daß es in dem riesigen Raum widerhallte: »Amélie!!!« Es war ungefähr der Augenblick, als Amélie Ritter ihre Wünsche der Sternschnuppe anvertraute.
Am Morgen erhob sie sich und kleidete sich sorgfältig an. In dem Pepitajackett über der weißen Seidenbluse zu grauen Reitbreeches sah sie aus wie ein hübscher Knabe. Man mußte mit dem Herzen denken, nicht nur mit dem Verstand, und das tat sie jetzt.
Sie ließ ihren Schecken satteln. Dann ritt sie aus dem Tor, den sandigen Weg durch die Felder entlang, wo sie jeden Zentimeter Boden kannte. Die Luft roch schon nach Herbst, ein wenig moderig, doch auch erdhaft kräftig. Vom Stoppelfeld gesellte sich der strenge Strohgeruch dazu. Und was stand dort am Rande der Wiese, über der noch der Morgennebel wie weißer Dampf wogte? Wahrhaftig: ein verspäteter Storch! Er machte einige gravitätische Schritte und flog davon, als sich Tier und Mensch in ihrer harmonischen Bewegung ihm näherten.
Trotz aller Aufregung mußte Amélie lachen. Ein Adebar! Hatte das nun eine Vorbedeutung? Wenn ja, dann … nun, sie errötete schon bei dem Gedanken.
Jetzt tauchten Roß und Reiterin in den Wald ein. Sie waren bereits auf Pluttkortenschem Gebiet. Und dann tauchte die breite Auffahrt zum Herrenhaus vor ihnen auf. Amélies Augen wurden riesengroß. Was war denn das?!
Das Herrenhaus war beflaggt. Das Geländer der breiten Freitreppe hoch, über den weiten Türbogen hinweg hingen dicke Girlanden aus Tannengrün und allen Blumen, die um diese Zeit in den Gärten blühten: Rosen, Winterastern, Dahlien, Strohblumen und Judastaler.
Hinter allen Fenstern flackerten Kerzen, und unter ihnen bildeten kleine Girlanden anmutige Bögen.
Jetzt konnte Amélie auch erkennen, was auf dem Schild über dem Portal stand in großen, roten Lettern: »Willkommen!«
Auf dem gepflasterten, sorgfältig gefegten Hof war die Drei-Mann-Feuerwehrkapelle aufmarschiert und tutete tapfer:
›Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, wie heimliche Liebe, von der niemand was weiß …‹ Außerdem schienen sämtliche Pluttkortener versammelt zu sein, alle feingemacht, mit Sträußen und Fähnchen in den Händen. Etwas verlegen standen sie herum und taten, als könnten sie Amélie Ritter nicht sehen.
Nur Jupp trat zu ihr hin und reichte ihr die Hand, um ihr beim Absitzen zu
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