Die Liebesverschwörung
Rascheln. Machte sich jemand an seine Pferde heran? Jemand war im Stall! Leise und vorsichtig auftretend ging er in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Er verhielt den Schritt und drückte sich in eine dunkle Ecke. Zur gleichen Zeit wehte ein überaus dichter Parfümgeruch zu ihm hin. Keine Frage, es war der Duft, der ihm so sonderbar zusetzte. Und dann sah er Stine, die seinem Hengst, der sich von niemandem außer von ihm und Jupp anfassen ließ, die Hand aufs Maul legte. Ich träume ja wohl, dachte er. Dies kann nur die Fortsetzung der Geschichte mit den Jauchewagen sein, die gar keine waren. Und Stine wirkt doch auch anders als sonst. Natürlich. Niemals ist das Stine.
Jetzt drehte sich das Mädchen so, daß durch das kleine, hohe Fenster ein wenig Morgenlicht auf sein Gesicht fiel. Wilhelm griff automatisch hinter sich an die Wand, um sich abzustützen.
Das war doch … nein, ich träume nicht! Das ist Amélie Ritter. Wie auch immer sie hierherkommen mag. Sie ist es.
Er schlich ein paar Schritte zurück und näherte sich noch einmal recht vernehmlich.
»Nanu, Stine«, rief er, »seit wann traust du dich denn an Rudolf heran?«
Sie zuckte zusammen. Er lächelte grimmig. Als sie irgend etwas murmelte, das wohl ›Guten Morgen‹ heißen sollte, rief er streng: »Stine, komm mal her zu mir!«
Sie schlurfte zögernd näher.
»Sag mal, bist 'du das, die hier so gräßlich stinkt wie ein ganzer Blumenladen?« fragte er drohend.
Sie nickte stumm.
»Von wem hast du es denn? Das Zeug ist doch bestimmt teuer. Hat Jupp dir das etwa geschenkt?«
Sie nickte wieder.
»Kannst du nicht reden?«
»Doch.«
»Na also. Weißt du auch, daß Jupp mit den Mädels ein Schlawiner ist? Hm?«
»Ja, Herr Baron.«
»Und dir ist das egal, wie? Du bist doch hoffentlich kein loses Frauenzimmer?«
»Nein, Herr Baron.«
»Soll ich vielleicht mal ein Wort für dich bei ihm einlegen? Du siehst doch nett aus, worauf wartet der Dummkopf noch?« Er hob mit der rechten Hand ihr Gesichtchen an, das nun völlig ratlos wirkte. Am liebsten hätte er laut herausgelacht. Er fühlte sich so sieghaft, gar nicht schüchtern, nein, einfach herrlich.
Sie wollte zurückzucken, doch mit dem linken Arm umschlang er sie leicht und zog sie noch näher an sich. Dann beugte er sein Gesicht zu ihrem glühenden Gesicht hinunter. Er konnte ein leichtes Stöhnen nicht unterdrücken. Da war er wieder, der süße Himbeermund, den er neulich schon gekostet hatte.
»In der Tat, recht hübsch«, murmelte er. »Ich wußte ja gar nicht, welchen Schatz ich hier auf dem Hof beschäftige. Du bist eine richtige Schönheit, weißt du das? Da sieht man es wieder: Morgenstunde hat Gold im Munde. Wäre ich jetzt nicht so früh aufgestanden, hätte ich dich vielleicht nie entdeckt, nicht diese ängstlichen Blicke aus Sternenaugen, und nicht diesen Himbeermund. Jupp ist zu beneiden.«
Mit einer kraftvollen Bewegung zog er Amélie ganz eng an sich. Sie hing wie ohnmächtig in seinen Armen. Und jetzt schloß sie sogar die Augen. Er preßte seine Lippen fest auf ihren Mund. Und diesmal hörte er nicht gleich auf, kostete und genoß und kostete wieder, bis auch ihre Lippen nachgaben.
Als er sie endlich losließ, gab er ihr einen kleinen Klaps und sagte: »So, Stine, jetzt aber an die Arbeit! Wir können nicht den ganzen Morgen vertrödeln. Sei morgen ungefähr um dieselbe Zeit wieder hier.« Das letzte mußte er schon rufen. Sie lief, als werde sie von Furien gejagt. Wilhelm schmunzelte in sich hinein, obwohl er nicht leugnen konnte, daß sein Puls raste wie nach einem Geländelauf mit vollem Gepäck.
Amalie war einfach in den Park gerannt. Jetzt kam es darauf auch schon nicht mehr an. Sie preßte die Stirn an einen Eichenstamm und schluchzte ratlos. War sie nun glücklich? Oh nein! Er hatte sie geküßt. Aber er hatte sie gar nicht erkannt! War das denn möglich? Gewiß, Kleider machten Leute. Doch war's in höchstem Maße unwahrscheinlich, daß auf diese Entfernung – und hier überrieselte es sie schon wieder heiß – jemand ein bekanntes Gesicht nicht erkennen sollte. Selbst wenn man zugestand, daß es noch nicht ganz hell gewesen war.
Das ließ eigentlich nur einen Schluß zu. Sie alle hatten sich in Wilhelm v. Pluttkorten getäuscht. Er war gar kein Einzelgänger. Nein, er war ein Wüstling! Jawohl! Er küßte immer gleich drauflos, guckte sich die Frauen gar nicht richtig an, hatte wahrscheinlich einen ganzen Harem und nahm jede Gelegenheit wahr,
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