Die Liebesverschwörung
das große Geviert der Gebäude, dem einige brennende Laternen einen heimeligen Anstrich gaben. Laura atmete tief ein, und Tränen traten in ihre Augen. Leidenschaft und Traurigkeit erfüllten sie ganz. Sie traute sich nicht mehr, das Spiel weiterzuspielen. Es gab keinen Joker, der sie noch hätte retten können, seit sie wußte, wie sehr sie diesen Mann liebte. Ja, sie liebte schon alles hier. Die Tiere, die Häuser, das Herrenhaus, jeden Baum und jeden Weg. Und wußte doch, daß ihr Aufenthalt nur am seidenen Faden hing.
Er wird mich feuern. Rausschmeißen wird er mich, dachte sie ganz entsetzt. Ich konnte doch nicht ahnen, daß er mir so viel bedeuten würde, sonst hätte ich mich auf diesen Blödsinn gar nicht erst eingelassen. Hat man jemals eine so festgefahrene Situation gesehen? Er denkt, er habe Mike eifersüchtig gemacht. Was wird er tun, wenn er erfährt, daß Mike mein Bruder ist und wir uns die ganze Zeit über ihn lustig gemacht haben? Dazu noch mit Beteiligung fremder Leute wie Renate und beiden Pluttkortens! Ja, Amélie v. Pluttkortens Geschichte hat uns überhaupt auf die Idee gebracht. Sie meinte, was früher gegolten hätte, ginge auch heute noch. Stimmt eben nicht. Die Menschen sind nüchterner geworden, auch argwöhnischer. Man spielt nicht mehr, sondern läßt spielen – Fernsehen, Stereo, Computer. Amélie v. Pluttkorten ist alt. Sie wußte das nicht. Aber sie hat schuld! Jawohl!
Laura trat vor den Spiegel. In der kühlen Nachtluft, die hereinströmte, stand sie lange da und sah sich an. Vor dem Essen hatte sie ihre Reitkleidung mit einem weich fließenden, wollweißen Kleid vertauscht. Die blonden Haare fielen üppig über ihre Schultern hinab. Blond und weiß, und der zart teefarbene Ton der Haut, und im Hintergrund der satte Mahagoniton der Möbel, die sich spiegelten und das Licht der Lampe in leuchtenden Reflexen auf sich sammelten. Der Spiegel mit seinem goldenen Rahmen gab das Bild wie ein Gemälde wieder. Fast könnte ich eine Braut sein, dachte Laura. Doch das sollte ich mir gleich aus dem Kopf schlagen. Ich bin eine moderne, junge Frau und muß die Dinge sehen, wie sie sind.
Sie wandte sich entschlossen ab und zog ihr Kleid über den Kopf. Erst einmal werde ich überhaupt nichts unternehmen, entschied sie, da lasse ich die Dinge laufen. Für einen Rausschmiß ist es immer noch früh genug, und wie sagte Oma immer? »Kommt Zeit, kommt Rat.« Na, den könnte ich brauchen.
Laura schloß das Fenster und stellte leise das Radio ein. »Wir bringen nun Blues um Mitternacht«, kündigte eine Frauenstimme an. Laura schloß die Augen. Diese Musik paßte zu ihrer aufgewühlten Stimmung.
Doch nach einer Weile erhob sie sich und stellte sie wieder ab. Es war zuviel. Sie brauchte Ruhe. Ich werde kein Auge zutun, dachte sie und deckte sich das weiche Schmusekissen, das sie außer dem großen Kopfkissen hatte, über das Ohr. Laura war eine gesunde, junge Frau. Es dauerte nicht lange, und sie schlief selig.
Mike Kringel war inzwischen zu Hause angekommen. Sonst pflegte er sich nachts, nach überstandenen Abenteuern, gern noch einen starken Tee zu machen. Mit viel Honig und einem kleinen Schuß Rum genossen, war das seiner Meinung nach ein wahres Lebenselixier.
Heute jedoch sank Mike sofort auf sein weißes Sofa und grübelte dumpf vor sich hin. Keine Spur von dem fröhlichen Eroberer, der er sonst war. Auf der Rückfahrt von Berckenhof war die Nacht so schön gewesen und hatte auf ihn fast wie ein Hohn gewirkt. ›Aus Spiel wird Ernst‹, das war ja eine Redensart, die man so hinquasselte. Wer dachte denn wirklich, daß ein Scherz sich so zuspitzen könnte?
Sein Schwesterchen! Die kleine Laura! Da kam sie aus Berlin zu ihrem Bruder, um eine schwere Enttäuschung in der Liebe zu überwinden. Hatte sich von einem Mann getrennt, mit dem sie schon über ein Jahr lang unglücklich gewesen war. Und nun schlidderte sie gleich in die nächste Krise. Denn es war einfach zu spät, das Ganze Eberhardt nur als kleinen Scherz aufzutischen. Eberhardt war schwerblütig.
Es ist uns über den Kopf gewachsen, sinnierte Mike gerade, und dazu kommt noch meine Blamage bei Renate. Da läutete das Telefon.
Mike zögerte zwei Sekunden lang. Die letzten Anrufe hatten ihm ja nicht gerade Glück gebracht. Doch dann siegte die Neugier.
»Mike, alter Junge«, dröhnte Eberhardt ausgeschlafen aus dem Hörer. »Sag mal, bist du zu Fuß gegangen?! Ich hab schon mehrmals versucht, dich zu erreichen. Mal von Mann zu Mann:
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