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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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hereinkam. Vermutlich war es nur ein Makrelenkutter, aber er gab einen guten Grund ab, die Schwingen noch ein wenig auszustrecken, bevor Gair zurückkehrte. Also steuerte Gair nach Norden.
    Allmählich tauchte das Schiff aus dem Dunst aus. Es hatte einen hohen Bug, aus dem der Kopf einer knurrenden Bestie geschnitzt war, einen Mast mit einem viereckigen Segel sowie eine Flagge am Heck, die so groß wie ein Bettlaken war. Sie war mitternachtsblau und hatte einen grellweißen Stern in der Mitte. Etwas daran störte Gair, aber er war neugierig auf den geschnitzten Bug und segelte näher heran, damit er einen besseren Blick auf ihn bekam. Nach wenigen Sekunden befand er sich vor einem gespenstisch bemalten Drachenhaupt mit Glasaugen und Fängen aus Elfenbein.
    Ein Drachenboot. Eine Flagge mit einem Stern, mit dem hellsten, weißesten Stern, dem Polarstern, der stand, wo die Linien eines Sternbildes sich kreuzten, das als Slaines Schwert bekannt war. Nordmänner . Gair änderte seinen Kurs. Die bärtigen und bezopften Krieger der Nordinseln mit ihren gehörnten Helmen und den Doppeläxten wurden im Reich selten gesehen; nur wenige von ihnen trieben Handel mit den Festländern. Die meisten zogen es vor, die Inselgemeinschaften im Ostmeer zu überfallen; Gair hatte noch nie gehört, dass sie sich auf den Großen Ozean gewagt hatten. Ein rotbärtiges Gesicht erschien an der Reling über einem dick in Wolldecken gehüllten Körper, und Gair beschloss, sich zu entfernen. Als er wendete, erregte etwas Goldgelbes seine Aufmerksamkeit. Es war ein Seidenhemd, offen am Hals, getragen von einem blasshäutigen Mann mit einem dunklen Bart, der die Kälte nicht im Geringsten zu spüren schien.
    Gairs Unbehagen wurde zu einem bitteren Geschmack der Angst. Etwas stimmte hier nicht. Die süße Musik des Sangs wurde zu einer schrillen Disharmonie, als ein anderer Geist über seine eigenen Farben schabte. Der Mann in dem goldgelben Hemd hielt sich an den Wanten fest und trat auf das Schanzwerk, wobei er einen Fuß auf die Reling stellte. Die salzige Gischt auf seinen glänzenden Stiefeln schien ihm nichts auszumachen.
    Gut, gut, gut . Die Stimme war kühl und teuflisch. Ein Abgesandter heißt uns willkommen. Komm her, kleiner Vogel . Eine unsichtbare Hand umfasste Gair. Wir wollen ein bisschen spielen .

27
    Savin . Gair faltete seine Schwingen und schoss hinunter in das nächste Wellental. Was machte er hier? Unsichtbare fettige Finger griffen nach ihm, zwangen ihn seitwärts und wieder nach oben, damit er an Höhe gewann. Savin konnte sich den Inseln nicht nähern, denn sie waren durch Zauber geschützt! Die Hand kam wieder und hob Gair hoch, aber es gelang ihm, sich zu befreien. Er schaute zurück und erkannte, dass er sich bereits weit hinter den Fünf Schwestern befand. Sie waren am Horizont kaum mehr sichtbar, waren nichts als kleine Erhebungen, wo der sich Himmel und Meer trafen. Gütige Göttin, wie weit war er geflogen? Es würde ein anstrengender Flug zurück zu den Inseln werden.
    Savin griff erneut nach ihm, doch diesmal gelang es ihm nur noch, Gair in die Schwanzfedern zu kneifen. Gair schwebte davon und flog geradewegs in eine Luftströmung hinein, die ihn dorthin zurückschob, woher er gerade gekommen war. Er schlug heftig mit den Flügeln und versuchte ihr zu entkommen, aber vergeblich. Savin gab ihm noch einen Stoß von unten, zog dann die Hand weg und ließ ihn in der aufgewühlten Luft zurück.
    Ein Lachen stieg wie Blasen in Gairs Gedanken auf.
    Kleiner Vogel, ich bin sicher, dass du es besser kannst. Zeig mir, wozu du fähig bist, wenn du nur richtig motiviert bist . Die Hand drückte ihn nach unten auf das wogende Meer zu. Gair griff in den Sang hinein und suchte nach der Gestalt des schnellsten Vogels, den er kannte. Aysha hatte ihm beizubringen versucht, mitten in der Bewegung von einer Gestalt in die andere zu wechseln, aber bisher war es ihm nie vollkommen gelungen. Jetzt musste er es versuchen, oder er würde untergehen. Mit der harten, pfeilspitzen Melodie seines Jägers im Kopf löste er den Umriss der Möwe auf und warf sich auf den neuen Sang.
    Ein beängstigender Sturz brachte ihn beinahe in Reichweite der Wellenkämme, aber jetzt schlug er mit stärkeren Flügeln, und seine neue Wanderfalken-Gestalt vermochte sich dem Druck zu entwinden und in die offene Luft hinauszuschießen. So dicht über dem Wasser war es nicht die ideale Gestalt, aber er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Sein Herz hämmerte in der

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